Mit Anfang 20 sind die jungen Erwachsenen heute so anders als wir es waren… Mit ihrem Handicap geben sie unser Zukunft eine Chance. Ich lerne mit Begeisterung von denen, die nach mir kommen. Sie fordern mich heraus und fördern mein Bestes.
Generationen
Wenn wir der Liebe folgen, ist es einfach.
Eine Mutter und ihr Sohn kommen zu einem Coaching-Gespräch…. Nach dem Tod ihres Mannes hat die Mutter (70) Gespräche mit einer weisen Frau gesucht. Dazu hat sie eine 83-jährige Therapeutin gefunden, die um die Kostbarkeit der Zeit weiß und die ihr die Gespräche mit ihrem Sohn (45) empfohlen hat…
Jetzt sitzen sie vor uns und erzählen: Am Anfang litten vor allem die Anderen unter den ungeklärten Familien-Beziehungen. Die Ehefrau, die immer wieder das austragen muß, was der Mann mit seiner Mutter nicht klären konnte. Die Kinder, die keine anderen Großeltern mehr haben und so stolz sind auf ihre Oma. Sie hätten gerne so viel mehr von ihr – halten sich aber aus Schuld gegenüber ihren Eltern zurück… Und da sind seine Schwestern, mit denen er die Eifersucht teilt. Keiner von ihnen fand bisher den Mut, sich den anderen in seinen Gefühlen ganz zuzumuten…
Ich staune: Zwischen Mutter und Sohn ist die Liebe zu jedem Augenblick größer als die Scham… Der Weg führt über die, die wir lieben. Manche Schritte gehen wir eher aus Liebe zu ihnen, als aus Sorge um uns…
Es sind vor allem Angst und Scham, die uns trennen. Doch für den, der der Liebe folgt ist der Weg einfach: Liebe ist immer der effektivste Weg der Veränderung.
Es gibt Gespräche – wie diese, die mich zutiefst beglücken, die mir die Freude am Brückenbauen in der eigenen Familie schenken.
Die Zeit läuft – so oder so. Nutzen wir doch einfach die Chancen…
Vom Segen der Geschwister
Wir sind zu Besuch bei einer befreundeten Familie. Wir kennen sie seit vielen Jahren, wir haben miterlebt, wie sie in dieser Zeit vier Kinder großgezogen haben – mit schweren Ehekrisen, Essstörungen, Schulkonflikte, rebellische Positionskämpfe und Konkurrenz zwischen Geschwister. Manchmal waren wir zur rechten Zeit am rechten Platz und haben ein Sorgenstück mitgetragen, Mut gemacht, gemeinsam Wege und Lösungen gesucht…
Heute kochen wir mit der ganzen Familie. Aus den Kindern sind junge Erwachsene geworden. Ich erlebe eine große lebendige Familie: jeder bringt seinen Teil mit ein – an Wissen, an Einsichten, an Witz + Humor. Irgendwie scheinen alle inzwischen die Gegenwart der anderen zu genießen… Wir schneiden gemeinsam Gemüse am großen Tisch, der Sohn öffnet und serviert den Wein… Überhaupt staune ich darüber, wie diese Familie gelernt hat, die Eigenarten der Anderen zu nehmen, zu mögen, damit humorvoll zu leben…
Nach dem Essen tauchen wir ein in ein intensives Gespräch am runden Familien-Tisch. Jeder bringt etwas ein, für das er sich leidenschaftlich engagiert. Ich erlebe Toleranz und Streitfähigkeit, Zuhören und Standpunkt, die Freude an der Befruchtung durch Andere, das Infragestellen der eigenen Sichtweise. An diesem Familien-Tisch werden Fragen gestellt, die wirklich bewegen… Ich spüre, wie jeder mit seiner Eigenart einen Platz und Gehör gefunden hat. Jeder kann mit seiner Sichtweise ganz da sein, weil er eingebunden ist in ein Netz von Andersartigkeit.
Als wir nach Hause fahren bin ich selig und heiter beschwingt… Mir fällt ein, wie viele Einzelkinder es in dieser Generation gibt… und was sie alle nicht im Sozialkontakt miteinander lernen können… Ihnen fehlt eine Kontaktfläche in die Gemeinschaft… Sie halten sich für etwas Besonderes, sind jedoch im Kontakt besonders gehandicapt… Sie glauben, sie könnten und müssten alles allein schaffen… Für sie ist der Weg zum Anderen auf Augenhöhe noch zu lernen…
Ich danke meinen Geschwistern – für ihr Da-Sein und ihr So-Sein:
Mein Bruder Joachim, der so früh nach mir kam und viel der emotionalen Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Durch dich habe ich Eigenständigkeit und Freiheit gelernt.
Meine Schwester Astrid, die mit ihrer impulsiven emotionalen Ausdruckskraft dafür gesorgt hat, dass ich auf meinem Fluchtweg ins Mentale die Gefühle nicht vergessen habe.
Meine jüngste Schwester Andrea, die mit ihrer Kombination von Lebendigkeit und Feinheit bewirkt hat, dass sich in mir Kraft und Zartheit verbinden.
Danke für jeden Streit mit euch. Danke für jeden Zorn, für jede erlittene Ungerechtigkeit. Danke für jeden Kampf, den Ihr an meiner Statt auf dem Schulhof ausgestanden habt. Danke, dass ich nie alleine war – auch wenn ich mich manchmal unter euch einsam gefühlt habe… Danke, dass ich mit euch viele emotionalen Kompetenzen lernen konnte, die mir heute in Gemeinschaften Flügel verleihen.
Danke für eurer Anderssein.
Inspiration kommt von vorne
Ich bin ein Kind der 50ger und 60 Jahre. Meine Generation hat ihren Platz in der Welt als ein innerer Gegenentwurf zur ängstlichen Unterwerfung der Eltern an ein totalitäres Regime formuliert.
Selbst-Erfahrung war der Beitrag unserer Generation zum Lauf der Geschichte… In allen Varianten der Selbst-Erfahrung fanden wir Sinn und Erfüllung. Sie waren – als Erforschung des inneren Reiches – zunächst einmal ungefährlich und unpolitisch. Mit ihr haben wir uns einen unvergessenen Platz erworben… sind wir einzigartig, aber auch besonders narzisstisch geworden…
Wenn ich heute mit jungen Erwachsenen (20-30) darüber spreche, wofür sie der Generation ihre Eltern dankbar sind, dann erwähnen sie immer wieder, die Positionierung von Psychologie + Selbst-Erfahrung in der Gesellschaft. Im 21. Jhd. ist unsere Innenwelt zu einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit geworden… Für die neuen Generationen liegt die Chancen des Lebens nicht mehr Innen, sondern Vorne – in der Zukunft, in unseren ungenutzten Fähigkeiten und nicht kombinierten Potentialen. Für die uns nachfolgenden Generationen ist alltagslose Selbst-Erfahrung altbacken, langweilig, esoterisch und unrelevant. Sie suchen Wege ins einfachen Handeln und praktischen Wirken.
Für unsere Zukunftfähigkeit wird es immer wichtiger, endlich über die Wiederaufbau- oder Trümmer-Generation (40ger und 50ger) und die Gründer-Generation (60ger)hinauszuwachsen und sich mit den nachfolgenden (70ger, 80ger und 90ger) und der zukünftigen Generationen (20ger und 21ger) zu verbinden.
Viele Generationen sind uns unbeachtet vorausgegangen und warten darauf, mit ihren persönlichen Erfahrungen gewürdigt zu werden. Nach mir sind bereits einige Generationen unbeachtet nachgekommen und warten darauf, dass wir die gemeinsamen Chancen nutzen…
Inspiration und Befruchtung kommen immer aus der Zukunft. Fangen wir an?
Der Körper als Erfindung
Unser Körper hat eine Geschichte, die über viele Jahrhunderte und Generation zurückreicht. Wenn jeder Generation ihr eigenes Körperbild erfinden muß – was ist dann noch Natürlichkeit?