Beziehungen im Change-Management

Melanie Conrad arbeitet seit Jahren erfolgreich in der Organisationsentwicklung. Im letzten Jahr hat sie bei Teamact einen Podcast ins Leben gerufen, für den sie immer mal wieder KollegInnen zum Gespräch einlädt. Im März war ich ihr Gast…

Das Interview mit ihr hat mir viel Spaß gemacht. Über das zu sprechen, was mir am Herzen liegt – gerade auch in der gemeinsamen Arbeit mit Birgit-Rita Reifferscheidt bei SONNOS. Und mich dabei dem Fluss anzuvertrauen und den Impulsen zu folgen, die im gemeinsamen Dialog entstehen.

Es ging um den Körper und die Gefühle… Um die Bedeutung von Selbst-Entwicklung und Beziehungs-Entwicklung in der Führung… Um wertvolle Landkarten – und die Macht der kleinen Schritte…

Aber hören Sie selbst – und lassen Sie sich inspirieren.

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Warum Selbstführung für Berater so wichtig ist

Ich weiß noch genau, wie Silvia Richter-Kaupp mich Anfang des Jahres anrief und mir erzählte, mit wie viel Begeisterung sie Das flüssige Ich gelesen hat. Sie wollte mich zu einem Vortrag auf ihren Coaching-Kongress Führung 2.0 einladen. Dazu hatte ich sofort große Lust. Die Weiterbildung von Coaches, Beratern und Trainern liegt mir einfach sehr am Herzen.

Am 22.6.2013 war es dann soweit. Morgens um 9.30 Uhr hielt ich den Einführungsvortrag ‚Das flüssige Ich. Warum Selbstentführung für Führungskräfte, Berater und Coaches so wichtig ist‘. Es war ein besonderes Erlebnis für mich, vor Profis zu sprechen, die Menschen tagtäglich darin unterstützen, Veränderungsprozesse bewusst zu gestalten, und dabei wissen, dass der Schlüssel zur Wirksamkeit in ihrer Selbst-Entwicklung liegt.

Ich hatte meine Aufnahmegerät dabei. Aber wie das manchmal so ist – irgendwie habe ich in der Aufregung nicht den richtigen Knopf gedrückt und dann zu hause festgestellt, dass ich nichts aufgenommen hatte.

Silvia Richter-Kaupp hatte jemanden beauftragt, den Kongress zu dokumentieren. Ich habe immer wieder gesehen, wie sie Fotos gemacht hat. Dass sie auch Video-Mitschnitte gemacht hat habe ich gar nicht bemerkt. Aber so gibt es nun ein paar Video-Sequenenzen aus meinem Vortrag. Die Qualität ist zwar nicht sehr gut, aber man bekommt zumindest einen Einblick.

Viel Freude beim Sehen und Hören:

Coaching: Aus der Box in den Raum der Möglichkeiten - Christiane Windhausen

Die Logik der Gefühle im Coaching - Christiane Windhausen

Mit der Kompetenzmatrix ins flüssige Ich - Christiane Windhausen

Warum Selbstentwicklung für Coachs und Berater so wichtig ist - Christiane Windhausen

Selbstführung als Weg der Integration

Als 2012 unser Buch erschien und wir unsere Pressemitteilungen rausgeschickt hatten, bekamen wir von der Zeitschrift Managerseminare die Anwort: Selbstführung – das interessiert uns nicht. Jetzt ist von ihnen die Ausgabe ‚Selbstführung – Der innere Lotse‘ erschienen. Innerhalb von nur einem Jahr hat sich also das Blatt gewendet…

Als wir vor 12 Jahren begannen, uns mit emotionaler Selbstführung zu beschäftigten, war das für die meisten ein ‚Fremdwort‘, mit dem niemand so recht etwas anfangen konnte. Heute gehört Selbstführung zum Standard-Repertoire eines jeden Führungskräftetrainings. Bei den zunehmenden Anforderungen eines Führungsalltags wird es immer wichtiger, sich im Umgang mit den eigenen Grenzen und Möglichkeiten, Bedürfnissen und Potentialen gut führen zu können – und dabei klar zu wissen, wohin ich mich führen möchte.

Manchmal jedoch laufen mir Schauer über den Rücken, wenn ich höre, wie Selbstführung als Führungskompetenz eingefordert wird. In der Regel wird Selbstführung hier im Sinne von Selbstkontrolle verstanden. Dann zeigt sich Kompetenz vor allem darin, wie gut jemand unerwünschte Gefühle kontrollieren und erwünschte Gefühle gezielt auslösen kann. Doch die gezielte Abwertung bestimmter Gefühle, spaltet uns in positive und negative Aspekte. In das, was veröffentlicht wird, und in das, was verheimlicht werden muss. Damit wächst die Fragmentierung unseres Selbst und der Schmerz der Spaltung. Und das verstärkt erwiesenermaßen den Stresspegel im Körper.

Für Birgit-Rita Reifferscheidt und mich war Selbstführung immer ein Weg der Integration. Uns geht es darum, Bewertungen zu verflüssigen und neue Möglichkeiten im Denken, Fühlen und Handeln ins Leben zu bringen. Mit den Jahren sind wir zu Spezialistinnen für die Selbstführung in Transformationsprozessen geworden. In unserem Buch Das flüssige Ich haben wir unser Knowhow auf kompakte Weise zusammengefasst.

Unsere Passion ist es, diejenigen zu unterstützen, die Veränderungsprozesse gestalten. Und zwar, indem sie einen lebendigen Zugang zu ihren eigenen Gefühlen entwickeln und dabei die Angst vor der Unvollkommenheit verlieren. Selbstführung heißt für für uns, die eigene Potentialentfaltung in die Hand zu nehmen – so, dass sich Transformation ereignen kann. Jeder, der sein Fühlen und Denken neu versteht, gewinnt zusätzliche Handlungsmöglichkeiten. Dabei geht es uns nicht um mehr Kontrolle, sondern um eine größere Stimmigkeit.

Dazu ist der verständige Umgang mit Gefühlen wichtig – denn die Abwehr vor Gefühlen begrenzt unsere Möglichkeiten. Selbstführung braucht auch den bewussten Umgang mit den Gedanken – denn unsere Denkmuster, Glaubenssätzen und Bewertungen halten unser Bewusstsein in alten Vorstellungen gefangen. Selbstführung beginnt im eigenen Körper – denn eine neue Beweglichkeit braucht auch neue Bewegungen. Führungsverantwortliche, die sich auf diesen Weg der persönlichen Integration begeben, erleben häufig einen Quantensprung in ihrer Wirksamkeit. Durch den flüssigen Umgang mit ihren Gefühlen ermöglichen sie Mitarbeitern und Kollegen einen kreativen Umgang mit den eigenen Grenzen.

Alle Gefühle sind wertvoll. Sie zeigen unsere persönlichen Werte, Bedürfnisse, Grenzen. Sie ermöglichen Gemeinschaft (im Team, in der Familie, in Freundschaften), aber auch Abgrenzung und Individualität. Wenn sie rundlaufen, gewährleisten sie Verbundenheit und Eigenständigkeit. Das lässt sich nur in einem bewertungsfreien Raum erlernen, in dem Schwächen als Poteniale und Unvollkommenheit als Stärke erkannt werden. Dazu braucht es Möglichkeitsräume, in denen wir erleben können, dass wir in unserem Menschsein wichtiger sind als in unserer Funktion. Dabei ist die Entfaltung unserer Potentiale ebenso wichtig, wie der effektive Umgang mit unseren Ressourcen. Mehr und mehr kann so ein Bewusstsein enstehen, in dem Kreativität und Selbstverantwortung, Individualität und Gemeinschaft Hand in Hand gehen.

Ich und du

Ich kann mich noch gut erinnern: Ich war 14 Jahre. Es war 10 Uhr, und wieder einmal begann die große Pause in der Schule. Aus allen Klassen stürmten Schülerinnen und Schüler auf den Hof – und mein persönlicher Albtraum be- gann. Das Kreisgymnasium in Halle (Westf.) war nicht groß, und doch erschien mir der Pausenhof wie ein unendliches Universum. Wenn ich mich über diesen Platz bewegte, war ich – bevor ich am anderen Ende ankam – mehrmals gestorben. Entfernungen schienen unendlich, Mitschüler unerreichbar, und der Raum dazwischen unüberwindbar.

1957 – also ein Jahr bevor ich geboren wurde – hat Martin Buber sein Buch Ich und Du geschrieben. Bis heute gehört dieses Buch zu meinen persönlichen Bücherschätzen. Martin Buber zählt für mich zu den Menschen, die den Raum der Begegnung mit viel Genauigkeit und Liebe ins Wort gebracht haben:

Beziehung lebt im Raum zwischen uns. Sie lebt nicht in mir und nicht in dir, nicht mal in unseren Dialog. Beziehung braucht den Raum zwischen uns, um sich zu enfalten… Dieser Raum ist heilig.

Mit 14 habe ich diesem Raum allerdings vor allem als Isolation erlitten. Ich wusste nicht, dass sich abgewehrten Gefühle (Ängste, Hilflosigkeiten, Über- heblichkeiten) im Beziehungsraum ablagern, und verhindern, dass wir Offenheit erleben. Ich wußte nicht, dass diese emotionale Verunreinigung des Raums der Grund dafür waren, warum ich mich so unverbunden fühlte.

Ich habe viele Jahre gebraucht, um meine Angst vor Kontakt zu meistern. Immer wieder bin ich innerlich den Weg über den Schulhof gegangen. Ich habe nach Möglichkeiten gesucht, das zu verbinden, was in mir unverbunden war. Ich habe nach Wegen gesucht, dem Du im Anderen zu begegnen – und nicht meinen Vorstellungen von ihm. Auf diese Weise bin ich dann schließlich zu einer Expertin für Beziehungsentwicklung geworden.

Zu den großen Beziehungsexperten unserer Zeit gehören für mich Hedy und Yumi Schleifer. Seit Jahren inspiriert mich ihre tiefe Spiritualität, mit der sie den Raum zwischen uns segnen. Jede Begegnung ist für sie eine Möglichkeit dem Wunder zu begegnen.

TEDxTelAviv - Hedy Schleifer - The Power of Connection

In diesem TED-Vortrag spricht Hedy Schleifer darüber, wie viel Mut es braucht, uns auf Kontakt einzulassen. Wie für Buber entspringt auch für sie Beziehung im Raum. Nicht in mir. Nicht in dir. Nicht mal im Dialog. Sie lebt im Raum zwischen uns. Für die Erfahrung einer tiefen Begegnung müssen wir uns von uns weg, und auf den anderen zu bewegen. Sie sagt:

There are three unvisible connectors – the Space, the Bridge an the Encounter… It takes courage to be connected.

Begegnung ist nur möglich, wenn wir den Raum zwischen uns zu einem heiligen Ort werden lassen. Ganz paktisch beschreibt sie, wie wir die Brücke bauen können – vom Ich zum Du, hinein ins Wir.

Lassen Sie sich inspirieren. Ich bin mir sicher, sie weckt auch in Ihnen die Lust auf Begegnung…

Gefühle – Manipulation oder Transformation

Ich habe mir gerade zum dritten Mal die Scobel-Sendung Ewige Gefühle angesehen (Mai 2012). Darin diskutiert Gert Scobel im Rahmen des Max-Planck-Forums mit den Wissenschaftlerinnen Tania Singer und Ute Frevert über die Welt der Gefühle im Wandel der Zeit. Jeder, der in der Führung oder Beratung arbeitet, sollte sich diese Sendung immer wieder mal gönnen.

Gert Scobel hat zwei sehr interessante Forscherinnen eingeladen. Ute Frevert befasst sich am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin mit der kulturellen Bedeutung von Gefühlen. Tania Singer erforscht am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig Empathie. Für sie lässt sich Mitgefühl wie ein Muskel trainieren.

scobel: Ewige Gefühle [1/4]

(Bitte schauen Sie die Videos bei Youtube bis 4/4)

Am Ende der Sendung wird es dann richtig spannend. Ute Frevert kritisiert hier, dass Gefühle immer wieder zur gezielten Manipulation eingesetzt werden. Heute werden sie nicht nur im Marketing ‚verwertet‘, sondern auch für die Leistungssteigerung in Unternehmen instrumentalisiert. Immer mehr Mitarbeiter reagieren darauf – durchaus zu Recht – mit Vorbehalten und Misstrauen.

Tania Singers Antwort darauf ist deutlich: Wir müssen Empathie zu Mitgefühl verfeinern. Empathie bedeutet erst einmal nur, dass ich mich in einen anderen Menschen einfühlen kann. Es sagt nichts darüber aus, wie ich das Wahrgenommene interpretiere oder umsetze. Mitgefühl beschreibt den Wunsch, das Leid des Anderen zu lindern. Dieses Gefühl kann erst entstehen, wenn sich Empathie mit Liebe und selbstloser Fürsorge verbinden.

Die meisten Psychopathen sind sehr empathisch. Sie wissen genau, was sie tun müssen, um ihre Opfer zu quälen, sind aber nicht zu Mitgefühl fähig. Ansonsten würden sie sich selber im Anderen erleiden – und sein Leid lindern wollen. Daher plädiert Tania Singer für ein gezieltes Mitgefühlstraining. Mitgefühl ist neurologisch mit dem Bindungssystem, dem Entspannungs- und Ruhezentrum verbunden und bildet damit im Gehirn einen Gegenpol zur Leistungsmotivation. Durch die Entwicklung von Mitgefühl werden wir daher tendenziell unbestechlich, denn unsere Gefühle sind dann nicht mehr einfach zu vermarkten.

Seit zwanzig Jahren vermitteln Birgit-Rita Reifferscheidt und ich, dass die Gefühle bei transformatorischen Veränderungsprozessen immer die Hauptrolle spielen. Erst wenn wir die eigenen Gefühle verstehen, annehmen und steuern können, sind wirkliche Musterunterbrechungen in unserer Biographie möglich. Ohne das Vertrauen in Andere sind transformatorische Veränderung nun mal nicht möglich. Und dieses Vertrauen entsteht durch fühlbare Erfahrungen, gelebte Glaubwürdigkeit und emotionale Authentizität. Das beginnt für jeden von uns mit seinen eigenen Gefühlen und mit emotionaler SELBST-Verantwortung. Die Gefühle der Anderen erschließen sich daraus dann – im wahrsten Sinne des Wortes – wie von selbst.

In den ersten Jahren mussten wir überhaupt erstmal Menschen für die Welt ihrer Gefühle interessieren und begeistern. Heute scheint es mir immer wichtiger, uns als Coach und Berater gegen die gezielte Vermarktung von Gefühlen zu wehren und uns von ihnen abzugrenzen. Wer Gefühle zu rein merkantilen Zwecken einsetzt, verhindern damit nämlich genau den Bewusstseinssprung ins ‚Unberechenbare‘, für den wir in unserer Zeit doch gerade angetreten sind.

Die Sendezeit bei Scobel war dann leider viel zu schnell vorbei… Aber vielleicht können wir die Diskussion ja hier oder auf Facebook miteinander weiterführen.

Ich bin neugierig: Wie ergeht es Ihnen mit den Gefühlen in der Führung? Sind Sie schon emotionsmüde? Welche Vorzüge des emotionalen Marketings geniessen sie als Kunden? Was erleben Sie als Coach, Trainer oder Berater bei Ihren Kunden im Umgang mit Gefühlen und Beziehungen ?