75-Jahre-Studie: Was macht uns glücklich? Was hält uns gesund?

Robert Waldinger ist Psychiater, Psychoanalytiker und Zen-Lehrer. Er ist Professor an der Harvard Medical School, und leitet dort einer der längsten wissenschaftlichen Studien, die es je gegeben hat. Dabei geht es um die Frage: Was macht uns glücklich und hält uns gesund?

Seit 75 Jahren läuft diese Langzeitstudie nun schon, die Menschen während ihrer gesamten Lebenszeit begleitet. Am Anfang waren es nur Männer, inzwischen werden Frauen, Kinder und Enkel mit einbezogen. So werden Informationen aus unterschiedlichen Lebensphasen, aus verschiedenen Generationen und mit anderen historischen Hintergründen gesammelt und ausgewertet.

Fragt man junge Menschen (in den USA) zwischen 20 und 30 Jahren danach, was sie glauben, was sie glücklich macht, nennen 80 % von ihnen Geld. 50% von ihnen wären glücklich, wenn sie berühmt würden. Ob die Ergebnisse in Deutschland wohl ähnlich ausfallen würden?

Fragt man die 80-Jährigen, dann sehen die Antworten sehr anders aus. Im Rückblick auf ihr Leben beschreiben sie vor allem ihre Freunde, ihre Familie – also ihre Beziehungen – als Glücksbringer und Glücksbewahrer. Und die Statistiken belegen es: Ob und wie wir in Beziehung eingewoben sind, hat gravierende Auswirkungen auf unsere Gesundheit.

 

 

Ich staune, dass es eine Forschungsreihe gibt, die seit so vielen Jahren besteht, und kontinuierlich an die nachfolgernde Forschergeneration weitergeben wird. Robert Waldinger ist inzwischen der vierte (!) Forschungsleiter in diesem Projekt. Jeder Forscher passt die Studie an die aktuelle Zeit an, und trägt den Staffelstab bis zur nächsten Generation weiter.

Wissenschaftliche Forschung ist in der Regel von viel Abgrenzung und Konkurrenz geprägt. Mich berührt die Demut, mit der hier Forschung gemacht wird. Die Ergebnisse von denen, die vorgegangen sind, werden bewahrt, gewürdigt – und weitergeführt.

Zen und eine Haltung der Dankbarkeit scheinen der Forschung richtig gut zu tun… Danke, Herr Waldinger.
Für den langen Atem – und die Stille zwischen den Zahlen.

(1) Robert J. Waldinger M.D.: Harvard 2nd Generation Study
(2) Studie 2010: Social Relationships and Mortality Risk: A Meta-analytic Review
(3) Spiegel online 28.7.2010: Einsamkeit schadet genauso wie Rauchen

 

Krankheit als Weg in die Verkörperung

‚Ideas worth spreading’. Das ist das Leitmotiv von TED. Dieses Video gehört auf jeden Fall zu einer der Kostbarkeiten der TED-Konferenzen. Dr. Jill Bolte Taylor ist Gehirnforscherin und spricht über ihre persönlichen Erfahrungen mit einem Schlaganfall, der wesentliche Funktionen ihrer linken Gehirnhälfte außer Kraft gesetzt hat. Plötzlich erlebt sie ihr eigenes Gehirn von innen… Und aus wissenschaftlichen Theorien werden auf einmal gefühlte Erfahrungen.

Beim Sehen des Videos sitze ich wie gebannt vor dem Bildschirm. Ich weine mit ihr. Ich staune mit ihr. Ich lerne mich selber kennen.
Ihre Erfahrungen sind es wirklich wert, geteilt zu werden.

Ich habe noch nie so anschaulich die Funktionsweise unseres Gehirns beschrieben bekommen: Wie Unmittelbarkeit und Logik zusammenwirken… Was passiert, wenn wir vollkommen von der Gegenwart eingefangen werden und der Tanz zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft nicht mehr funktioniert… Normalerweise arbeiten beide Gehirnhälften so selbstverständlich miteinander, dass wir die Komposition der Unterschiede nicht bewusst erleben können.

Die massive Störung des Selbstverständlichen durch einen Schlaganfall schenkte Dr. Jill Bolte Taylor eine fühlbare Erfahrung ihres eigenen Gehirns. So wird Wissenschaft zur verkörperten Weisheit – fühlbar und emotional verständlich. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben, dass man als Hardcover oder als Download kaufen kann.

Was für ein Segen in unseren Krankheiten liegt…
Sie fördern Dankbarkeit, Demut und Staunen.

Bei Dr. Jill Bolte Taylor hat ein Schlaganfall zur leibhaftigen Verkörperung ihres Wissen geführt. Wie haben Krankheiten Sie verändert?

Medizin und die Logik der Gefühle

Ich habe gerade herausgefunden, dass es das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.v. (APS) bereits seit 2005 gibt. Ich war total begeistert, dass sich in unserem Gesundheitssystem endlich etwas in die richtige Richtung bewegt. Doch schon heute – zwei Tage nach der Meldung – spüre ich, dass die Information in der Öffentlichkeit schon wieder versickert ist. Selbst im Netz hat keiner der vielen Gesundheitsblogs die Nachricht aufgegriffen…

Die Erkenntnis, dass auch Ärzte Fehler machen, löst wohl in jedem von uns existenzielle Ängste aus. In der Medizin geht es schließlich um unseren Körper. So blenden wir die schlechten Nachrichten lieber aus und halten uns an einem Strohhalm der Hoffnung fest – weil wir den Ärzten vertrauen müssen, wenn es um unser Leben geht.

Als mein Vater vor 2 Jahren seine Herz-Operation hatte, habe ich am eigenen Leib gespürt, wie groß meine Misstrauen gegenüber Ärzten und Krankenhäusern ist. Ich habe erlebt, dass niemand im Rahmen der OP-Vorbereitung auf die Angst eingegangen ist, die mein Vater, mein Mutter, ich und meine Geschwister hatten. Es gab – und das auch erst nach hartnäckigem Nachfragen – sachliche Informationen, aber keine Emotionen.

Durch den Verzicht auf Mitmenschlichkeit und die Ausgrenzung der Gefühle entsteht für mich die größte Fehlerquelle. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ohne Mitgefühl von Grund auf gesund werden können… Eine Medizin, die nicht um die Logik der Gefühle weiß, kann nur herzlos und fehlerhaft werden.

Ich danke Dr. Matthias Schrappe (Vorstand der APS), Dr. Jörg-Dietrich Hoppe (Vorsitzender der deutschen Ärztekammer) und Ulla Schmidt (Bundesministerin für Gesundheit), die sich für eine neue Fehlerkultur im deutschen Gesundheitssystem einsetzen.

Vielleicht folgen diesem Beispiel ja irgendwann – aller Ignoranz zum Trotz – die Verantwortlichen für Familie, Bildung, Finanzen und Umwelt.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf..

Konstruktiver Umgang mit Fehlern

Vorgestern – 19.30 Uhr – ich schaue Nachrichten.

Ich traue meinen Ohren nicht, Ärzte berichten öffentlich über ihre Fehler, die sie im Laufe ihrer Berufspraxis gemacht haben. 17 Ärzte und Krankenschwestern haben sich zusammen getan und ihre Fehler in einer Broschüre dokumentiert. Ihr Anliegen: die Möglichkeit zu schaffen, aus Fehler zu lernen und damit die Qualität und Sicherheit im Gesundheitsweaen zu verbessern.
Zum Beispiel die Pharmaindustrie – manche Medikamente sind sehr ähnlich verpackt und beschriftet. Im Klinikalltag muss es oft schnell gehen, da wäre deutliche Kennzeichnung eine große Hilfe. Dazu kommen die vielen Überstunden, die das Krankenhauspersonal aus Kostengründen leisten müssen. Viele Fehler wären bestimmt vermeidbar, hätten Ärzte mehr Zeit, mit den Patienten zu sprechen, Fragen zu stellen und vor allen Dingen zuzuhören. Außerdem geschehen deutlich weniger Fehler, wenn ich Dinge in Ruhe zu Ende bringen kann und genug Zeit habe mich mit Kollegen auszutauschen. Ganz zu schweigen von den vielen Kollegen, die aus den gemachten Fehlern anderer lernen können. Dann muss vielleicht ein Fehler nicht so oft wiederholt werden.

Es ist oft fatal, wenn Ärzte Fehler machen. Menschen können Zeit ihres Lebens mit den Folgen zu tun haben. Heilungsprozesse können sich extrem verzögern – was wieder neue Kosten verursacht, oder der schlimmste Fall, Menschen müssen ihr Leben lassen.

Ich finde es sehr mutig, sich öffentlich zu seinen Fehler zu bekennen. Gerade für die Ärzte ist es nicht leicht, wo sie doch gerne zu weißen Göttern gemacht werden. Jetzt ist ein Anfang gemacht.

Scheinbar wird mein Traum von einer Fehlerkultur in Deutschland doch noch wahr. Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt.

Körper-Weisheit: Mitmenschlichkeit entspannt

Meine jüngste Schwester ist Physiotherapeutin. Als wir miteinander telefonieren erzählt sie mir, dass immer mehr Patienten nicht mehr loslassen können. Sie kennen den Rhythmus von Spannung und Entspannung nicht mehr, der die Basis vom Gesundheit und Wohlbefinden ist. Sie fragt sich, wie ihre Körperarbeit wirken kann, wenn Menschen die körperliche Frequenz des Nehmens nicht mehr finden.

Ich spreche über die entspannende Wirkung von Mitmenschlichkeit. Über Körperkontakt, der von Herzen kommt und uns zum Weinen und zum Lachen bringt…

Ich kenne inzwischen so viele Menschen, die Jahre von Therapie hinter sich haben und dabei fast an Herz-Losigkeit erfroren sind. Sie konnten nicht spüren, dass sich der Therapeut wirklich für ihr Schicksal interessiert… Sie haben sich im Kopf – aber nicht im Herzen – verstanden gefühlt.

Mitmenschlichkeit und Warmherzigkeit sind längst nicht mehr selbstverständlich. Sie sind zu einem seltenen Heilmittel geworden…

2 Wochen später ruft sie mich an und erzählt mir von den Auswirkungen unseres Gespräches: Sie hat für ihre Patienten eine Übung erfunden: Nach jeder Sitzung bekommen sie von ihr einen Kieselstein, den sie zur nächsten Sitzung wieder mitbringen – beschrieben mit einem Wort oder einen Satz über das, was sie erfahren haben und nicht vergessen wollen. Dieser Stein kommt dann in eine Schale – zu den Steinen der anderen Patienten. So wachsen sichtbar Spuren der Dankbarkeit.

Alle heilsamen Wege sind einfach.

Dein Mut zur Mitmenschlichkeit hat mich sehr berührt, Andrea.
Danke für dein Teilen. Mit dir wächst mein eigener Mut zu unkonventionellen Wegen.