Change als Flippen in einen neuen Zustand

Als ich anfing als Coach und Beraterin zu arbeiten, waren Change-Prozesse in Unternehmen noch genau definierte Projekte. Sie hatten ein klares Ziel, es gab einen genau umschriebenen Weg, und natürlich ein definiertes Ende. Change-Berater wurden für Projekte gebucht. Von ihnen wurde erwartet, dass sie einen guten Plan präsentierten, dafür sorgten, dass die Mitarbeiter mitgenommen (das heißt an den Plan angepasst) wurden – und dann wieder gingen.

Inzwischen ist die Welt ‚komplexer‘ geworden, und Prozesse ‚unberechenbar‘. Durch die globale Vernetzung haben Veränderungen am Markt ‚unmittelbare Konsequenzen‘ für alle Betroffenen. Führungskräfte, Mitarbeiter und Berater reagieren darauf nicht selten mit Überforderung – und mit mehr vom Gleichen. Doch in der Natur und in unserem Körper haben wir die Anpassungsbewegungen an neue Umweltbedingungen im Wesentlichen ganz gut gemeistert. Im Grunde sind sie das Natürlichste der Welt. Wir waren nur so sehr mit unseren Plänen beschäftigt, dass wir die natürlichen Bewegungen nicht mehr wahrgenommen waren.

Jetzt bracht es neue Metapher für den Wandel. Denn die Bilder und die Sprache, die wir in Unternehmen für Veränderung, Change, Transformation verwenden, haben große Konsequenzen. Sie sind – mitten im Nicht-Wissen – so etwas wie emotionalen Leitplanken. Sie geben unserer Absicht ein Zuhause. Und sie definieren für alle Beteiligten den Raum der Möglichkeiten.

Auf seine unverwechselbare Weise bringt es Niels Pfläging auf den Punkt: Change beschreibt nicht mehr einen Weg, sondern das Flippen in einen neuen Zustand. Es geht nicht mehr um die Umsetzung von ‚Plänen‘, sondern darum, die Bedingungen in einem Unternehmen so zu umzugestalten, dass Menschen in eine neue Verhaltensweisen flippen können.

Niels Pfläging flippt in der Transformation

Hier einige Essenzen:

  • Es geht darum, den natürlichen Wandel zu ermöglich, statt ihn zu planen und zu verwalten.
  • Mitarbeiter sind nicht das Problem. Menschen sind Anpassungskünstler, sie verhalten sich stets angemessen/ sinnvoll in Bezug auf das Umfeld, in dem sie sich befinden.
  • Wenn wir Bedingungen ändern, können Menschen/ Organisationen in einen neuen Zustand flippen.
  • Flippen ist beabsichtigtes Arbeiten am System, und zwar v.a. durch Weglassen (von Chef-Parkplätzen, jährliche Mitarbeitergespräche, persönliche Ziele, Budget, Organigramm, Reisekostenrichtlinien usw.)
  • Wenn wir Milch in unseren Kaffee gießen, verändert er sich. So leicht ist Change!

(1) Edgar H. Schein, Humble Consulting – Die Kunst des vorurteilslosen Beratens. 2017
(2) Niels Pfläging, Komplexithoden: Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität. 2015
(3) Niels Pfläging, Organisation für Komplexität: Wie Arbeit wieder lebendig wird – und Höchstleistung entsteht. 2014
(4) Gerald Hüther, Die Macht der inneren Bilder: Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern. 2014

 

Der Körper als Terra Incognita in der Beratung

Als ich einen Anruf von der Zeitschrift OrganisationsEntwicklung bekam und Caspar Fröhlich mich fragte, ob ich nicht einen Artikel über die Bedeutung des Körpers in der Beratung schreiben wollte, war ich erst mal sprachlos. Die ZOE ist eine Zeitschrift für Berater, Organisationsentwickler und Coaches, in der Innovatives und Grundlegendes praktisch und konkret aufbereitet wird. Aber mit dem Körper wollte er eine Thema ansprechen, dass in Organisationsberatungen nach wie vor weitestgehend unbeachtet ist.

Er verkörpert die physische Seite unseres Bewusstseins. Er ist eine Quelle der Intuition, und ein guter Seismograph für Stimmungen und Nicht-Gesagtes. In meine Arbeit hat er einen große Bedeutung – vor allem für die persönliche Wirksamkeit in der Führung.

Die Seele stellt sich als weitaus körperlicher dar, als wir sie uns in den letzten Jahrhunderten vorgestellt haben. Damit wird der Körper zum Wahrnehmungsorgan für unsere Intuition, für die Synchronizität von Ereignissen und für die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Empathie ist in ihrem Ursprung eine sehr körperliche Erfahrung. (Windhausen, Reifferscheidt, Das flüssige Ich, S. 92. BoD 2012)

Historisch gesehen kam es mit der Aufklärung zu einer kollektiven Auswanderung aus dem Körper. Der Mensch sollte funktionieren – wie eine Maschine. Dafür sind wir in den Kopf umgesiedelt – in unsere Vorstellungen, und in Rollen, die vor allem auf die Erwartungen der Anderen abgestimmt sind. Freiheit wurde als eine Form des Denkens erlebt, und war an die Abkopplung vom Körper gebunden. Inzwischen wissen wir, dass diese Freiheit ein goldener Käfig war. Wir haben sie teuer bezahlt – mit Entfremdung, Stress, Burnout, Sinnlosigkeit. Ohne im Körper zu wurzeln, beginnt unser Selbst zu fragmentieren. Es gibt keinen Ort mehr, in dem unsere Vielfalt zusammenfließen und eins sein kann.

Unser Transformations-Knowhow hat von Anfang an den Körper mit einbezogen. Wir wussten, dass der Weg zu unseren Potentialen über den Körper geht. Um für große Veränderungen bereit zu sein, müssen Kopf und Körper sich auf eine flüssige Weise verbinden. Wenn es um Ganzwerden geht (statt um Besserwerden), dann braucht es physische Integrität. Erst in der Kombination von Denken (Bewusstsein), Fühlen (Emotion) und Spüren (Körper) wird Originäres geboren. Die wirklich bedeutsamen Revolutionen werden erst durch Integration möglich.

Jetzt ist die Januar-Ausgabe der Zeitschrift für OrganisationsEntwicklung erschienen – und mittendrin mein Artikel. Er beginnt mit einem Ausflug in die Neurobiologie unseres Selbstgefühls. Dann wird die Situation eines Change Professionals anhand einer typischen Beratungssituation illustriert und aufzeigt, wie Change Professional ihren Körper bewusst nutzen können. Zum Schluss gibt es Hinweise, wie Veränderungsbegleiter Ihr Körper-Spürbewusstsein bewusst stärken können. Die Zeitschrift können Sie im Buchhandel kaufen oder online bestellen.

Jedes zukunftsorientierte Coaching, jede transformatorische Beratung braucht eine körpernahe Wahrnehmung der Realität und körpernahes Handeln. Für alle, die Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten (Organisationsberater, Change Manager, Organisatons- und Personalentwickler, Berater, Trainer, Coaches, Learning & Development Spezialisten, etc.), wird das Wissen um den Körper in Zukunft zu einem Basis-Baustein ihrer professionellen Kompetenz werden müssen.

Vielleicht kann dieser Artikel Impulse in der Organisationsentwicklung setzen, die es für alle Beteiligten ein bißchen leichter macht, mit Changeprozessen umzugehen – egal, ob sie persönlich oder beruflich vollzogen werden.

Mich würde interessieren, welche Rolle der Körper für Sie in Transformationsprozessen gespielt hat – oder gerade spielt. Vielleicht haben Sie ja Lust, mir Ihre Körper-Geschichte dazu zu erzählen. Entweder hier im Kommentarfeld, oder auch gerne per Mail (windhausen@sonnos.net).

Gefühle – Manipulation oder Transformation

Ich habe mir gerade zum dritten Mal die Scobel-Sendung Ewige Gefühle angesehen (Mai 2012). Darin diskutiert Gert Scobel im Rahmen des Max-Planck-Forums mit den Wissenschaftlerinnen Tania Singer und Ute Frevert über die Welt der Gefühle im Wandel der Zeit. Jeder, der in der Führung oder Beratung arbeitet, sollte sich diese Sendung immer wieder mal gönnen.

Gert Scobel hat zwei sehr interessante Forscherinnen eingeladen. Ute Frevert befasst sich am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin mit der kulturellen Bedeutung von Gefühlen. Tania Singer erforscht am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig Empathie. Für sie lässt sich Mitgefühl wie ein Muskel trainieren.

scobel: Ewige Gefühle [1/4]

(Bitte schauen Sie die Videos bei Youtube bis 4/4)

Am Ende der Sendung wird es dann richtig spannend. Ute Frevert kritisiert hier, dass Gefühle immer wieder zur gezielten Manipulation eingesetzt werden. Heute werden sie nicht nur im Marketing ‚verwertet‘, sondern auch für die Leistungssteigerung in Unternehmen instrumentalisiert. Immer mehr Mitarbeiter reagieren darauf – durchaus zu Recht – mit Vorbehalten und Misstrauen.

Tania Singers Antwort darauf ist deutlich: Wir müssen Empathie zu Mitgefühl verfeinern. Empathie bedeutet erst einmal nur, dass ich mich in einen anderen Menschen einfühlen kann. Es sagt nichts darüber aus, wie ich das Wahrgenommene interpretiere oder umsetze. Mitgefühl beschreibt den Wunsch, das Leid des Anderen zu lindern. Dieses Gefühl kann erst entstehen, wenn sich Empathie mit Liebe und selbstloser Fürsorge verbinden.

Die meisten Psychopathen sind sehr empathisch. Sie wissen genau, was sie tun müssen, um ihre Opfer zu quälen, sind aber nicht zu Mitgefühl fähig. Ansonsten würden sie sich selber im Anderen erleiden – und sein Leid lindern wollen. Daher plädiert Tania Singer für ein gezieltes Mitgefühlstraining. Mitgefühl ist neurologisch mit dem Bindungssystem, dem Entspannungs- und Ruhezentrum verbunden und bildet damit im Gehirn einen Gegenpol zur Leistungsmotivation. Durch die Entwicklung von Mitgefühl werden wir daher tendenziell unbestechlich, denn unsere Gefühle sind dann nicht mehr einfach zu vermarkten.

Seit zwanzig Jahren vermitteln Birgit-Rita Reifferscheidt und ich, dass die Gefühle bei transformatorischen Veränderungsprozessen immer die Hauptrolle spielen. Erst wenn wir die eigenen Gefühle verstehen, annehmen und steuern können, sind wirkliche Musterunterbrechungen in unserer Biographie möglich. Ohne das Vertrauen in Andere sind transformatorische Veränderung nun mal nicht möglich. Und dieses Vertrauen entsteht durch fühlbare Erfahrungen, gelebte Glaubwürdigkeit und emotionale Authentizität. Das beginnt für jeden von uns mit seinen eigenen Gefühlen und mit emotionaler SELBST-Verantwortung. Die Gefühle der Anderen erschließen sich daraus dann – im wahrsten Sinne des Wortes – wie von selbst.

In den ersten Jahren mussten wir überhaupt erstmal Menschen für die Welt ihrer Gefühle interessieren und begeistern. Heute scheint es mir immer wichtiger, uns als Coach und Berater gegen die gezielte Vermarktung von Gefühlen zu wehren und uns von ihnen abzugrenzen. Wer Gefühle zu rein merkantilen Zwecken einsetzt, verhindern damit nämlich genau den Bewusstseinssprung ins ‚Unberechenbare‘, für den wir in unserer Zeit doch gerade angetreten sind.

Die Sendezeit bei Scobel war dann leider viel zu schnell vorbei… Aber vielleicht können wir die Diskussion ja hier oder auf Facebook miteinander weiterführen.

Ich bin neugierig: Wie ergeht es Ihnen mit den Gefühlen in der Führung? Sind Sie schon emotionsmüde? Welche Vorzüge des emotionalen Marketings geniessen sie als Kunden? Was erleben Sie als Coach, Trainer oder Berater bei Ihren Kunden im Umgang mit Gefühlen und Beziehungen ?

Wachsen. Reformieren. Transformieren

Wir leben in aufregenden Zeiten. Noch nie war so viele Veränderung in so kurzer Zeit und in so großem Umfang notwendig – und möglich. Doch was ist Veränderung? Wie und wann ereignet sie sich? Wieso gibt es Veränderungsprozesse, die uns begeistern und inspirieren – und andere, die sich wie Sterben anfühlen.

Veränderungsprozesse folgen einer bestimmten Logik.  Und es hilfreich, eine Landkarte zur Hand haben…

Wachsen. Reformieren. Transformieren

Gabriele Fischer – Gegen den Wind segeln

Nach meiner ersten und zweiten Episode ist dies nun meine dritte Geschichte über einen Abend mit Gabriele Fischer.

Eine der Düsseldorfer Unternehmerinnen stellte die Frage, wie Brandeins es geschafft hat, zehn Jahre lang mit gleichbleibender Qualität zu erscheinen.

Gabriele Fischer erzählt, dass sie am Anfang vor allem Wut, Verzweiflung und auch Selbstüberschätzung getragen hätten. Sieben Jahre lang musste sie um jede einzelne Ausgabe des Magazins kämpfen. Jedes Heft war mit großen finanziellen Risiken verbunden – die Insolvenz stand jeden Tag vor der Tür.

Doch in der Redaktion waren sich alle einig: Wenn sie schon untergehen sollten, dann mit der besten Ausgabe, die es je gegeben hat. So haben sie immer wieder ihr Bestes gegeben und jedes Wort mit Fleisch und Blut gefüllt. Als es mit Brandeins 2006 endlich bergauf ging, war der selbstgewählte Qualitätsstandard für alle selbstständlich geworden.

Ich weiß genau, wovon sie redet… Als wir vor sieben Jahren SONNOS ins Leben gerufen haben, wußten wir, dass es in Deutschland – nach einer Zeit von Wachstum und Reformation – nun um grundlegende Transformationen geht. In Zeit des Übergangs würde sich Verantwortung vor allem als Selbst-Verantwortung zeigen, und die persönliche Wirksamkeit mehr und mehr von der eigenen Authentizität abhängen. Die Quellen, aus denen wir unseren Selbstwert schöpfen würden sich ändern – und auch die Formen, in denen wir unsere Beziehungen leben und gestaltet.

Wir wollten Menschen auf diesen Veränderungsprozess vorbereiten und sie dazu befähigen, sich und andere durch Krisen führen zu können. Unsere Sichtweise eines sich vollziehenden Transformationsprozesses stieß am Anfang oft auf Unverständnis. Wir sind die ersten Jahre entweder im Windschatten oder gegen den Wind gesegelt… Auf einmal spüre ich, wie gut uns dieser Gegenwind getan hat. Er hat uns unbestechlich gemacht, und uns die Kraft verliehen, gegen den Strom zu schwimmen.

Wir bekommen wohl immer die Herausforderungen geschenkt, durch die wir gerade am besten wachsen können. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass mir die Unterstützung und Bestätigung durch andere die größte Kraft verleiht. An diesem Abend spüre ich deutlich: Um eine transformatorische Wirkung zu entwickeln, brauchen wir gerade die Windstärken, die uns von vorne entgegenblasen. Es gibt eine Kraft, die erst im Gegen-den-Wind-segeln entsteht…

Kennen Sie in Ihrem Leben auch diesen Unterschied zwischen der Kraft der Bestätigung und der Kraft des Gegenwinds? Und welche Fähigkeiten von Ihnen haben sich vor allem durch die Windstärken-von-vorne entwickelt?