Tibet 4: Immer nur eins – und das ganz

Unter Akklimatisierung hatte ich mir vorgestellt, dass – nach einer Zeit der Anpassung – oben alles so läuft wie unten. Doch weit gefehlt… In der Höhe nimmt nicht nur der Sauerstoff sondern auch der Luftdruck kontinuierlich ab. Und das hat weit reichende Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Körpers. Es gibt in den Bergen nur bis 4200 Höhenmeter menschliche Siedlungen. Alles, was darüber liegt, können wir zwar eine Weile lang aushalten, es gewährleistet uns aber keinen regenerativen Lebensraum. Hier bleiben wir Fremdlinge.

 

 

Ihn über 4000 m Höhe ist die Fürsorge für die eigenen körperlichen Belange jeden Moment wichtig. Ich lerne, unmittelbar auf meine Bedürfnisse zu antworten. Jedes Zaudern hat Konsequenzen. Unter den Belastungen der Höhe ist das Immunsystem bis zum Äußersten gefordert. Rücksichtslosigkeit gegenüber dem eigenen Körper bezahlt man in dieser Höhe sofort – mit Kopfschmerzen, Schwäche, Erkältung, Fieber.

Die Reduktion von Sauerstoff führt notwendigerweise zur Vereinfachung des Lebens. Das beginnt für mich als erstes einmal damit, dass ich nicht mehr gleichzeitig Denken, Fühlen und Handeln kann. Ich muss wählen. Es geht immer nur eins – und das braucht mich ganz.

Bisher war mein Körpergefühl für mich selbstverständlich. Die Erfahrung der Höhe, des reduzierten Sauerstoffs, der Anstrengung und der notwendigen Sorge für mich selbst, hat mir gezeigt: Was wir als Selbstverständlichkeit erleben ist das energetische Zusammenspiel von unserem Körper mit seiner Umwelt.

Es gibt keine Unabhängigkeit.
Alles ist mit allem verbunden.

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