Das Parfüm

Es war eines der ungewöhnlichsten Filmerlebnisse meines Lebens. Ein Sinnenspektakel, eine choreographische Meisterleistung. Eine Hinführung ins Mitgefühl, die unwiderstehlich ist…

Paris 1738: Grenouille wird mit einer außergewöhnlichen Begabung geboren. Er ist ein Wunderkind des Riechens. Er kompensiert seine Sehnsucht nach Liebe mit seinem größten Talent – so, wie wir es alle tun. Er ist besessen von dem Wunsch, durch einen Duft in die Liebe zu finden und zu führen.

Die Seele aller Wesen ist ihr Duft

Er erfindet ihn und die Menschen erliegen ihm – allerdings nicht aus Liebe, sondern durch die Manipulation ihres Geruchssinns. Sein perfekter Duft macht ihn am Ende einsamer als er je war.

Unser größtes Talent führt – solange es als Kompensation benutzt wird – immer an der Sehnsucht vorbei. Das größte Genie wird – so lange es seinen Schatten nicht kennt – nicht in die Liebe führen, sondern Leid und Schmerz erzeugen.

Am Ende ist keines meiner Gefühle eindeutig geblieben. Dieser Film bietet keine einfachen emotionalen Projektion an. Im Gegenteil – jedes Gefühl wird verstört, weil es einen emotionalen Doppelgänger hat, der die andere Seite fühlbar macht: Neben der Angst vor dem Bösen entsteht die Faszination für das Genie. Das scheinbar Unmoralisch-Mörderische wird mit so viel Schönheit inszeniert, dass die Liebe zu unseren eigenen Schatten unvermeidbar ist…

Der Film spielt mit unserer Sehnsucht nach Liebe… Und die fühlbare Beziehungslosigkeit von Grenouille schmerzt bis ins Mark… Ohne die Liebe zu unserem Schatten bleibt unser Wirken reine Manipulation… und jede Gabe ein Fluch…

Bernd Eichinger und Tom Tykwer ist ein Meisterwerk gelungen.

Plötzlich steht Ingo hinter mir

Manchmal fühle ich mich wie auf dem Sprungbrett – damals mit zehn. Es ging um den Fahrtenschwimmer, den ich unbedingt machen wollte, aber ich hatte so unermessliche Angst vor dem notwenigen Sprung vom 3-m-Brett. Ich weiß noch genau, wie ich auf dem Brett stand und die Angst jede Zelle meines Körpers durchspült hat…

Unten stand mein Vater und bot mit alle erdenklichen Belohnungen an. Ich kann mich noch an das Versprechen der Bratwurst erinnern. Ich habe noch nie Bratwürste gemocht… Schließlich bin ich gesprungen. Eher aus Liebe – als wegen der Wurst. Im Springen bin ich gestorben – mindestens dreimal.

Heute stehe ich wieder einmal auf einem Sprungturm. Und plötzlich steht Ingo hinter mir. Er springt in der IT-Wirklichkeit dieser Welt jeden Tag vom 3- oder 10-m-Brett und weiß nicht, ob im Becken wirklich Wasser ist. Er weiß, wie sich ein Sprung aus großer Höhe anfühlt. Er sagt: Ich stehe hinter dir… Und es geht immer um die Wurst…

Ich weiß, dass er weiß, wovon er spricht… und ich springe.

Fussball: Gemeinschaft ist möglich

Ich stehe bei Karstadt an der Kasse und warte auf meine Abrechnung. Die Kassiererin kommt aus Weißrussland – wenn man ihrem Akzent folgt. Neben mir steht ein Araber, der ein Trikot der deutschen Fussball-Nationalmannschaft trägt. Aus Versehen greift er nach meiner Kreditkarte, die ich schon bereit gelegt hatte. Wir lachen und machen Scherze darüber, was heutzutage plötzlich weg ist und sich dann unvermittelt in den Taschen anderer wieder findet… Gleichzeitig kommt es zwischen der Kundin hinter mir und dem Italiener, der ihr in der Schlange folgt (mit einem Tattoo seiner Nationalflagge auf der Stirn) zu Waren-Vermischungen auf dem Kassenband. Auch sie lachen und scherzen darüber, wer wohl gewinnt…

Meine Sehnsucht nach Mitmenschlichkeit – über alle Grenzen hinweg – trifft mich in diesem Augenblick, unverhofft. An meinen heruntergeschluckten Tränen spüre ich, wie sehr mich bisher der Abstand der Nationen geschmerzt hat…

Ich habe 47 Jahre lag den Fußball (und damit auch meinen Vater) unterschätzt… Beim Einkaufen erlebe ich unvermittelt seine Wirkkraft…

Es ist wirklich möglich: Ein Gefühl von Gemeinschaft, das aus Freude an Vielfalt entspringt – zu Ehren der Unterschiede. Mitten im Leben, mitten im Alltag.

‚Zu Gast bei Freunden’ ist ganz eindeutig ein Lobgesang auf die Gast-Freundschaft. Wir Deutschen haben sie so oft im Urlaub genossen. Jetzt teilen wir, was wir bekommen haben… Und ich teile gerne. Es beglückt und bereichert mein Leben.

Bis in jede Zelle – lebendig sein

Ich treffe Carina auf der Strasse und wir geraten ins Gespräch. Mit dieser Freundin von Gegenüber erlebe ich – mitten in Düsseldorf – was man sich vom Dorfleben erzählt: Straßen-Gespräche… einfach so… Zwischendurch verschwinden wir beide begeistert in einer Begegnung. Anschließend ziehen wir weiter… weniger einsam… weniger anonym… inspiriert vom Kontakt.

Dieses Mal erzählt sie von einem amerikanischen Indianer, bei dem sie einem Workshop gemacht hat: Kaum jemand bei uns sei in seinem Körper, wenn er stirbt… Da wir immer weniger mit unseren Gefühlen verbunden sind, verschwindet das Leben aus unserem Leben – lange bevor der Tod kommt… Wir sterben alle tot.

Dieser Satz von ihm hat mich getroffen wie ein Zen-Stock. Vor Jahren habe ich mir selber versprochen, bis in jede Zelle hinein lebendig sein – bevor ich sterbe. Das hat mich zu meinen Gefühle geführt – und in meinem Körper. Erst durch Fühlen und Sinnlichkeit beginnt Energie lebendig zu werden – und mitmenschlich…. Intelligenz ohne Herz ist flach und geistlos… und Gefühle ohne Ausdruckskraft erzeugt Einsamkeit statt Verbindung…

So wirke ich mit – an der Verlebendigung der Menschen.

Ich fange mit mir an… Wie vorbehaltlos bin ich gerade – im Geben, im Nehmen, im Wählen und Verbinden?

Ein Kaiserschnitt hat Folgen

Katrin Mikolitch ist Ärztin, Ehefrau, Mutter, Freundin… Sie hat im letzten Jahr das Kaiserschnitt Netzwerk ins Leben gerufen, um Hebammen, Geburtshelfer, Ärzte und Psychologen eine Möglichkeit zu geben, sich über alternative Wege der Kaiserschnitt-Integration auszutauschen.

Am 10. + 11. Juni 2006 findet nun in Düsseldorf ihre 1. Fachtagung statt: Nach Kaiserschnitt – Therapiebedarf für Körper und Psyche. Zusammen mit Katrin Mikolitch werde ich diese Tagung moderieren – und dort auch einen eigenen Vortrag halten. Darauf freue ich mich sehr. Wann kann man schon einmal so nah dabei sein, wenn etwas Neues beginnt….

Über Katrin staune ich schon lange – und immer wieder. Sie ist neugierig und interessiert an neuen Sichtweisen. Sie ist in meinem Leben einer der wenigen Menschen, die Fragen erfinden um Wege zu finden… und die sich selbstverständlich mit andern kombinieren, damit Veränderung leicht wird und Bewegung entsteht.

Sie ist einfach der eigenen Bedürfnisspur gefolgt und hat an den Sinn ihrer persönlichen Erfahrungen geglaubt: Alles was geschieht, geschieht zum Wohle aller… Sie hat damit bewirkt, was viel sich wünschen: Sie hat ihre Erfahrungen fruchtbar gemacht – für sich selbst, aber vor allem auch für ihre Fachkollegen.

Sie ist eine Frau, die sich bewegt – und kombiniert. Sie bewirkt neues Leben.