Die Wiedergewinnung der Zeit

Es gibt wirklich eine Stadt in Deutschland, in der ein Bürgermeister den Mut hatte, eine radikal unkonventionelle Entscheidung zu treffen: Hersbruck in Mittelfranken, eine Stadt mit 12.500 Einwohnern wurde 2001 durch die Konsequenz von Wolfgang Plattmeier die erste langsame Stadt Deutschland.

Hersbruck sind inzwischen 3 weitere Städte gefolgt: Waldkirch, Überlingen, Schwarzenbruck. Sie alle haben gewählt: keine Fast Food, kein großen Ladenketten, sondern Fleisch und Gemüse aus der Region. Wenig öffentliche Uhren und verkehrsberuhigte Zonen. Sie alle setzen auf Lebensqualität und Entschleunigung.

‚Man muss nicht autark sein‘, sagt Plattmeier, ‚aber Autarkie ist ein genussvoller Luxus, der einen letztlich viel aufmerksamer und sorgfältiger werden lässt.‘ Damit folgte er einer Innovation, die aus Italien kommt: cittaslow.

Geschwindigkeit führt zwar zunächst einmal zu Effektivität, beschreibt aber im Grunde eine verlorene Zeit, die durch einen erheblichen Aufwand an kontemplativen Zeit ausgeglichen werden muss.

Die Wiedergewinnung der verlorenen Zeit ist damit zum eigentlichen Kennzeichen von Lebensqualität geworden. Ein lesenswertes Essay dazu findet sich in der Zeit.

Es hat sicher seinen Sinn, dass dieser Impuls aus dem Süden kommt…

Wir Nord-Westler haben einfach immer noch eine große Vorliebe für Geschwindigkeit…

Kraft entsteht in der Pause

Eigentlich habe ich damals nur aus Not entschleunigt. Ich konnte einfach nicht mehr. Meine altgewohnten leistungsorientierten Funktionsmustern hatten mich total ausgebrannt, die (immer persönlich zu zahlenden) Kosten waren zu hoch geworden. Ich brauchte Raum und Zeit für mich – und fürs Nichtstun.

Irgendwann habe ich dann den Gelben Stift genommen und bestimmte Tage im Monate für mich markiert: Tage, an denen ich keine Termine oder Verabredungen annehme. Tage, die nur dafür vorgesehen sind, dass ich das tue, wozu ich Lust habe. An denen ich meinen – manchmal verrückten, manchmal banalen – Impulsen folge.

Wie gesagt: Eigentlich habe ich aus purer Not entschleunigt.
Doch was ich mit diesen Gelben Tagen erlebt habe, hat jede meiner Vorstellungen gesprengt:

Ich bin auf völlig neue Fragen gestoßen
Meine kreativen Ideen haben rapide zugenommen.
Die Lust auf meine Leben ist sprunghaft angestiegen.
Ich habe andere Herausforderungen und Angebote angezogen – und mit weniger Aufwand mehr bewirkt.

Heute weiß ich, dass ich erst durch Entschleunigung wirksam werde. Durch die Zeit zwischen den Aufgaben. Durch die Zeit für pure menschliche Begegnungen, die nähren und inspirieren.

Meine Kraft entsteht in der Pause.

Das Parfüm

Es war eines der ungewöhnlichsten Filmerlebnisse meines Lebens. Ein Sinnenspektakel, eine choreographische Meisterleistung. Eine Hinführung ins Mitgefühl, die unwiderstehlich ist…

Das Parfum - offizieller Trailer

Paris 1738: Grenouille wird mit einer außergewöhnlichen Begabung geboren. Er ist ein Wunderkind des Riechens. Er kompensiert seine Sehnsucht nach Liebe mit seinem größten Talent – so, wie wir es alle tun. Er ist besessen von dem Wunsch, durch einen Duft in die Liebe zu finden und zu führen.

Die Seele aller Wesen ist ihr Duft

Er erfindet ihn und die Menschen erliegen ihm – allerdings nicht aus Liebe, sondern durch die Manipulation ihres Geruchssinns. Sein perfekter Duft macht ihn am Ende einsamer als er je war.

Unser größtes Talent führt – solange es als Kompensation benutzt wird – immer an der Sehnsucht vorbei. Das größte Genie wird – so lange es seinen Schatten nicht kennt – nicht in die Liebe führen, sondern Leid und Schmerz erzeugen.

Am Ende ist keines meiner Gefühle eindeutig geblieben. Dieser Film bietet keine einfachen emotionalen Projektion an. Im Gegenteil – jedes Gefühl wird verstört, weil es einen emotionalen Doppelgänger hat, der die andere Seite fühlbar macht: Neben der Angst vor dem Bösen entsteht die Faszination für das Genie. Das scheinbar Unmoralisch-Mörderische wird mit so viel Schönheit inszeniert, dass die Liebe zu unseren eigenen Schatten unvermeidbar ist…

Der Film spielt mit unserer Sehnsucht nach Liebe… Und die fühlbare Beziehungslosigkeit von Grenouille schmerzt bis ins Mark… Ohne die Liebe zu unserem Schatten bleibt unser Wirken reine Manipulation… und jede Gabe ein Fluch…

Bernd Eichinger und Tom Tykwer ist ein Meisterwerk gelungen.

Dinge sind Möglichkeiten – bis wir wählen

Gestern in What the Bleep do we know?: ‚Dinge sind Möglichkeiten – bis wir wählen.‘

Ich stolper über die Synchronizität des Lebens…. Wählen ist die Ausrichtung, die ich mir für diesen und den nächsten Monat gewählt habe. Jetzt höre ich, dass die Quantenphysik das Universum nicht als feste Materie versteht, sondern als eine Fülle von Möglichkeiten. Erst in der Interaktion mit mir, meiner Wahrnehmung und meinem Handeln, entstehen Erfahrungen – und Materie.

Dinge sind Möglichkeiten – bis wir wählen. Meistens wählen wir auf Grund einer subtilen Suchtstruktur – immer wieder das Gleiche. Ich erlebe gerade, dass Ungeahntes möglich wird, wenn ich etwas Neues wähle: ein negativer Stern-Artikel hat positive Konsequenzen, für eine verfahrene Situation findet sich eine unkonventionelle Lösung…

So als hätte das Universum nur darauf gewartet, dass ich ihm – im Wählen – die Chance gebe, mich mit neuen Möglichkeiten zu beschenken.

Im Nehmen geschieht Loslassen

Mit den inneren Löchern im Selbstwert ist das so eine Sache: Überall dort, wo ich in meinem Wesen nicht genommen worden bin, sind resistente Formen der Wertlosigkeit gewachsen. Ganz gleich was ich tue, um mich meines Wertes zu vergewissern – sie schmerzen und bezweifeln.

Ich habe erlebt, dass ich eine Flutwelle brauche, um die Tiefenschichten meines löchrigen Wertes endlich aufzulösen. Jetzt weiß ich, dass große existenzielle Erfahrungen dazu bestimmt sind, tiefe existenzielle Wunden zu erlösen. So hat sich die Welle für mich als unbeschreibliches Geschenk erwiesen. Sie hat mir gezeigt was möglich ist, wenn ich die Welle (in mir) dorthin nehme, wo meine Löcher sind: Größer kann das Zeichen – dass ich gemeint und wichtig bin – nicht sein… warum also nicht aufhören zu hadern? Sie hat mich gelehrt: Wer nicht nimmt, kann sich nicht verändern. Er kann mit den heilsamen Erfahrungen seine Kompensationen ausschmücken – über löchrigem Grund. Doch erst im NEHMEN geschieht Loslassen.

Leider haben wir das NEHMEN in Deutschland so gut wie gar nicht entwickelt. Wir wollen lieber Geben – und es vor allen Dinge alleine schaffen. NEHMEN liegt bei uns im Entwicklungsland der inneren 4. Welt. So sammeln wir Erfahrungen und leben Beziehungen, die wir nicht wirklich NEHMEN… und die uns im GRUND nicht verwandeln können.

Im Augenblick erlebe ich Deutschland als ein Land, das besessen ist von Effektivität und dennoch eine Verschwendung von Erfahrungen praktiziert, die mich zutiefst schockiert.

Wirkliche Effektivität entspringt aus der Kraft des NEHMENS.
Mögen alle, die der Welle begegnet sind, das Geschenk erkennnen, dass sie ihnen mitten ins Herz hinein zugemutet hat.