Musik ist so mächtig wie die Liebe

Ich habe gerade bei TED ein wirklich bemerkenswertes Video gesehen. Emmanuel Jal gehörte zu den Kindersoldaten, die im Sudan eingesetzt worden sind. Nach 5 Jahren im Krieg wird er verletzt, von europäischen Entwicklungshelfern gerettet und lernt Emma Cun kennen. Sie führt ihn in die Welt der Musik und schenkt ihm damit einen Weg in die Liebe. Heute ist er ein Hip-Hop-Star und kämpft mit seiner Musik für die Kinder in Kriegsgebieten. Bei TED erzählt er seine Geschichte – und singt sein Lied.

Ich finde es unglaublich, welche Kraft ihm ein einziger Mensch und die Musik geschenkt haben. Durch Emma Cun hat er angefangen, seine eigene Geschichte zu besingen. Heute kämpft er für die Finanzierung für Schulen im Sudan. Bildung ist für ihn das wichtigste Mittel gegen Hass und Rache. Nur wer lesen und schreiben kann und einen Zugang zum Internet hat, kann seine eigene Stimme beschützen und sich ausdrücken. In einem Interview sagt Emannuel Jal: Education empowers people. Education will enlighten the world.

Als ich Mitte 20 war, habe ich mich für unsere nationalsozialistische Geschichte geschämt. Heute bin ich immer wieder schockiert und peinlich berührt, wenn deutlich wird, dass wir in der internationalen Gemeinschaft nun wirklich kein leuchtendes Beispiel für eine innovative Bildungspolitik sind.

Und dass, obwohl wir doch aus eigener Erfahrung wissen sollten: Gefühle sind manipulierbar – vor allem bei fehlender Bildung. Angst macht dumm – und Kriege werden nun einmal aus Angst geführt.

Ich würde wirklich gerne Emma Cun kennen lernen.

Krisen als Chancen zur Transformation

Mit Krisen scheint es uns so ähnlich zu gehen, wie mit traumatischen Erfahrungen. Noch vor einigen Jahren konnte man dieses Wort nicht benutzen, ohne mit psychischen Exzentrikern in einer Schublade zu landen. Inzwischen ist Trauma zu einem wertvollen Wort geworden. Es hilft uns zu verstehen, wie es Kindern geht, die im Krieg aufgewachsen sind… Wie es Menschen nach dem Tsunamie erging… Wie Eltern und Lehrer mit einem Amoklauf leben… Und wie Soldaten nach einem Kriegseinsatz weiterleben…

Inzwischen ist auch die Krise gesellschaftsfähig geworden. Und fast jeder kann sie mit persönlichen Erfahrung aus seinem eigenen Leben verbinden. Wir erleben mehr und mehr, dass Krisen uns die Möglichkeit schenken, neue Chancen zu entdecken – oder aber im Selbstmitleid zu verschwinden.

In Wachstumsphasen geht es um Ausdehnung innerhalb eines Entwicklungs-Fensters (das Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg oder die Internetblase am Ende des letzten Jahrhunderts). In den Zeiten der Reformation kommt es dann zu notwendigen Korrekturen innerhalb dieses Prozesses. Erst wenn auf dieser Ebene alle Chancen ausgereizt sind, wird ein transformatorischer Sprung notwendig – und möglich.

Transformation ist immer mit der Verankerung neuer Werten verbunden. Damit wir sie entdecken können, braucht es im Übergang krisenhafte Erfahrungen. Durch sie lösen sich bestehenden Strukturen auf und wir hängen einfach für eine Weile in der Luft – und damit mitten in unseren Gefühlen. Im Übergang ist unsere Zukunft ungewiss – sowohl emotional wie auch existenziell.

In Krisenzeiten ist es am Besten, in das zu investieren, was bleibt – Bildung und Bindung. Eckhart von Hirschhausen hat das in der Talkshow von Johannes B. Kerner deutlich ausgedrückt. In Zeiten der Transformation trägt uns, was uns im Grunde prägt – und verändert.

Ich erlebe gerade selber, wie wichtig mir Beziehungen sind, die über viele Jahre  gewachsen sind. In ihnen finde ich Kontinuität und ein solides Fundament – mitten im Taumel der Veränderung. Nichts schenkt mir so viel Sicherheit, wie die Entwicklung meiner Persönlichkeit – und die Bindung zu den Menschen, bei denen ich mich beheimatet fühle.

Kraft entsteht in der Pause

Eigentlich habe ich damals nur aus Not entschleunigt. Ich konnte einfach nicht mehr. Meine altgewohnten leistungsorientierten Funktionsmustern hatten mich total ausgebrannt, die (immer persönlich zu zahlenden) Kosten waren zu hoch geworden. Ich brauchte Raum und Zeit für mich – und fürs Nichtstun.

Irgendwann habe ich dann den Gelben Stift genommen und bestimmte Tage im Monate für mich markiert: Tage, an denen ich keine Termine oder Verabredungen annehme. Tage, die nur dafür vorgesehen sind, dass ich das tue, wozu ich Lust habe. An denen ich meinen – manchmal verrückten, manchmal banalen – Impulsen folge.

Wie gesagt: Eigentlich habe ich aus purer Not entschleunigt.
Doch was ich mit diesen Gelben Tagen erlebt habe, hat jede meiner Vorstellungen gesprengt:

Ich bin auf völlig neue Fragen gestoßen
Meine kreativen Ideen haben rapide zugenommen.
Die Lust auf meine Leben ist sprunghaft angestiegen.
Ich habe andere Herausforderungen und Angebote angezogen – und mit weniger Aufwand mehr bewirkt.

Heute weiß ich, dass ich erst durch Entschleunigung wirksam werde. Durch die Zeit zwischen den Aufgaben. Durch die Zeit für pure menschliche Begegnungen, die nähren und inspirieren.

Meine Kraft entsteht in der Pause.

Eine Reise zu zweit in die Sichtbarkeit

Die Zeit des Coachings mit Christine Knauf ist für mich unvergesslich. Damals habe ich in meinem Tagebuch ein neues Kapitel begonnen: Wissen, worum es wirklich geht. Eine Reise zu zweit in die Sichtbarkeit.

Der letzte Brief von ihr enthielt einen kleinen Buddha. Er hatte auf dem Postweg seinen Kopf verloren – das kommt schon mal vor… ‚Triffst du Buddha unterwegs, schlag ihm den Kopf ab.‘ So hielt ich den Buddha rechts und seinen Kopf links in der Hand und dachte nur: Das passt! Seitdem hat Jochen in mühsamer Kleinarbeit und mit viel Liebe bestimmt dreimal den Kopf wieder angeklebt. Und doch – nach einer Weile – finde ich ihn wieder daneben-gelegt.

Die Supervision mit ihr hat wesentlichen dazu beigetragen, dass ich meinen eigenen Weg nicht nur gefunden habe, sondern auch zu gehen wagte… Wenn ich heute zurückschaue, dann weiß ich, dass ich ohne die klare Einsicht von anderen Frauen-die-ihrem-eigenen-Weg-folgen niemals hätte erkennen können, in welch einer Perfektion ich meine alte Familienrolle noch einmal re-inszeniert und mich in Ausweglosigkeiten eingesponnen hatte. Ich habe immer gespürt, dass sie in allem aus eigenen Lebenserfahrung und selbst-geborenen Weisheit gesprochen hast. Wenn sie nicht vorausgegangen wäre… Ich weiß nicht ob ich mich getraut hätte…

Prozesse der Wandlung brauchen ihre Zeit – vor allem, wenn sie einer weiblichen und organischen Spur folgen – auch das habe ich im letzten Jahr gelernt. Und manchmal geht mir Vieles immer noch viel zu langsam… Es hat eine Weile gedauert, bis ich den Segen der Entschleunigung verstanden habe. In dieser Zeit habe ich viel an sie gedacht – in meinen Fragen, in meinen Zweifeln, vor allem aber in meiner Dankbarkeit…

Danke, dass du mit mir – aus deiner und meiner Unbestechlichkeit einen Weg gebaut hast…

Freiheit als Erfahrung der Verwundbarkeit

Ich kann mich noch sehr gut an die Zeiten erinnern, als Getrenntsein das Grundgefühl meines Lebens war. Ganz gleich ob ich in meiner Familie, unter Freunden oder Fremden war, ich habe mich nicht wirklich dazugehörig gefühlt. Für mich, die aus der Fremde kam, war Verbundenheit der Inbegriff von Freiheit und Führung beschrieb die Fähigkeit, immer wieder einzubeziehen, was unverbunden geblieben ist. Unabhängigkeit war für mich ein Fluch, in den ich mich geflüchtet habe, um die Verletzlichkeit, die Nähe und Kontakt mit sich bringen, nicht erleiden zu müssen.

Jetzt bin ich am anderen Ende angekommen. Ich stelle fest, dass ich mich nicht mehr trennen kann. Nicht mehr von meiner eigenen oder unserer gemeinsamen Geschichte. Nicht mehr von Erfahrungen, die ich nicht machen möchte. Nicht mehr von Menschen, die mich kränken und bekämpfen. Nicht mehr von denen, die sich durch Andersartigkeit nicht befruchten lassen (und davon gibt es leider immer noch sehr viele).

Im Zeitalter meiner lang ersehnten inneren Globalisierung zeigt sich Freiheit nun als Erfahrung meiner eigenen Verwundbarkeit. Alles verbindet sich miteinander und es wächst ein inneres Netzwerk, in dem jedes Fühlen und Handeln in seiner Wirkung erfahrbar wird.

Jetzt beginnt Freiheit für mich dort, wo ich auch in konflikthaften Situationen in Kontakt gehen und bleiben können, statt ins Alleinsein zu flüchten. Wo ich mich zumute statt abwende. Wo ich mich aus Liebe riskiere, statt mich auf eine Autonomie zu berufen, die im Grunde aus Resignation geboren ist. Wo ich für ein solidarisches Miteinanders einstehe, statt den Anderen zur Bestätigung alter und längst verstaubter Erfahrungen zu benutzen.

Auf einmal erlebe ich, dass Unabhängigkeit immer eine Illusion war – aufgeblasen von Angst und Stolz. In Wirklichkeit sind wir unwiderruflich verbunden und Freiheit beginnt mit der Erfahrung unserer eigenen Verwundbarkeit.