Dreifaltigkeit – Gott ist Beziehung

Talk at Google hat den Franziskanerpater Richard Rohr zu einem Interview eingeladen. Gesprochen haben Sie über die Dreifaltigkeit Gottes, ihre Bedeutung für die Transformation unserer Beziehungsfähigkeit – und über sein letztes Buch Divine Dance. Ich habe 48:37 Minuten lang wie gebannt zugehört – und überall die Liebe entdeckt.

Richard Rohr bringt mit seinem Verständnis der Dreifaltigkeit eine Beziehungsdimension ins Gottesbild hinein, die mich berührt und bewegt. Er sprengt das duale Bewusstsein auf und beschreibt sehr fühlbar, was in unserem Bewusstsein (und unseren Beziehungen) passiert, wenn eine dritte Position (Person) ins Spiel kommt.

Es geht um einen radikalen Paradigmenwechsel, für den das Bewusstsein bis heute nicht reif war. Der dualistische Verstand sieht alles in Zweierbegriffen, die Dreifaltigkeit aber führt uns zum Gesetz der Drei, statt des Gesetzes der Zwei. Das Gesetz der Zwei ist immer gegensätzlich, das Gesetz der Drei ist in sich dynamisch und fließend.

Während meines Studiums hat mich die Trinität Gottes wenig interessiert. Sie wurden so abstrus erklärt, dass ich sie nicht mit meinem eigenen Leben verbinden konnte. Aber ich habe immer wieder erlebt, wie wertvoll für meine Entwicklung gerade die Beziehungen waren, die den begrenzten Horizont einer Zweierbeziehung sprengten (berufliche Partnerschaften, Familie, Lebensgemeinschaften, Teams, usw.).

Richard Rohr hat es geschafft, mich über die Dreifaltigkeit noch mal staunen zu lassen… Für ihn offenbart sich das Göttliche vor allem in den Bewegungen zwischen uns, und zwar als ein nicht endender dynamischer Prozess.

Richard Rohr: "Divine Dance: The Trinity and Your Transformation" | Talks at Google

Der Gedanke, dass lebendige und dynamische Beziehungen mit Drei beginnen, ist nicht neu. Sigmund Freud sprach in diesem Zusammenhang von Triangulierung. Und beschreibt anschaulich, welche Individualionsprozesse in der Entwicklung des Kindes erst mit der Gegenwart einer weiteren Bezugsperson möglich werden. Um aus der symbiotischen Mutter-Kind Beziehung herauszuwachsen, braucht es eine dritte Peson – in seinem Fall den Vater. Erst sie ermöglicht die Ablösung aus der symbiotischen Mutter-Bindung, und eine Autonomie-Entwicklung des Kindes.

Solange wir in einem dualen Bewusstsein leben, ist die Beziehung zum Anderen immer geprägt von verbünden, ergänzen, ausgrenzen. Wir verbünden uns im Ähnlichen, wir ergänzen uns in unseren Unterschieden, wir grenzen uns ab vom dem, was uns befremdet. Damit stecken wir in einer dualen Welt fest. Sie basiert auf schwarz und weiß, richtig und falsch, oben und unten. Wir vergleichen uns, und schätzen den Anderen als höher oder tiefer, besser oder schlechter ein.

In jedem Fall können wir immer nur eine Seite sehen – von uns, vom Anderen. Wenn wir die schillernden Facetten erkennen wollen, die sich in unseren blinden Flecken verbergen, brauchen wir zusätzliche Perspektiven, Sichtweisen, Blickwinkel. Und die kommen erst mit anderen Menschen ins Spiel…. Sobald eine zusätzliche Person den Beziehungsraum betritt, können sich unsere Selbst- und Fremdbilder verflüssigen. Auf einmal werden Unterschiede deutlich und verschiedene Rollen möglich. Grenzen werden erfahrbar – und mit ihnen neue Kontaktformen.

Richard Rohr beschreibt für mich hier sehr fühlbar die DNA eines neues Wir-Bewusstseins. Ein Wir, in dem Eigenständigkeit und Gemeinschaft miteinander verbunden sind, das auf Vielfalt basiert und sich als Freude an Unterschieden zeigt.

Die Zeit ist reif, sind wir es auch?

(1) Richard Rohr, Divine Dance: The Trinity and Your Transformation. 2016
(2) Marion Küstemacher, Tilman Haberer, Werner Tiki Küstenmacher, Gott 9.0. Wohin unsere Gesellschaft spirituell wachsen wird. 2010
(3) Ken Wilber, Integrale Spiritualität. Spirituelle Intelligenz rettet die Welt. 2007
(4) Svenja Hofert über Spiral Dynamics. 2012
(5) Peter Spiegel, Megatrend WeQ – Die DNA aller sozialen Innovationen. 2014

Tibet 4: Immer nur eins – und das ganz

Unter Akklimatisierung hatte ich mir vorgestellt, dass – nach einer Zeit der Anpassung – oben alles so läuft wie unten. Doch weit gefehlt… In der Höhe nimmt nicht nur der Sauerstoff sondern auch der Luftdruck kontinuierlich ab. Und das hat weit reichende Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Körpers. Es gibt in den Bergen nur bis 4200 Höhenmeter menschliche Siedlungen. Alles, was darüber liegt, können wir zwar eine Weile lang aushalten, es gewährleistet uns aber keinen regenerativen Lebensraum. Hier bleiben wir Fremdlinge.

 

 

Ihn über 4000 m Höhe ist die Fürsorge für die eigenen körperlichen Belange jeden Moment wichtig. Ich lerne, unmittelbar auf meine Bedürfnisse zu antworten. Jedes Zaudern hat Konsequenzen. Unter den Belastungen der Höhe ist das Immunsystem bis zum Äußersten gefordert. Rücksichtslosigkeit gegenüber dem eigenen Körper bezahlt man in dieser Höhe sofort – mit Kopfschmerzen, Schwäche, Erkältung, Fieber.

Die Reduktion von Sauerstoff führt notwendigerweise zur Vereinfachung des Lebens. Das beginnt für mich als erstes einmal damit, dass ich nicht mehr gleichzeitig Denken, Fühlen und Handeln kann. Ich muss wählen. Es geht immer nur eins – und das braucht mich ganz.

Bisher war mein Körpergefühl für mich selbstverständlich. Die Erfahrung der Höhe, des reduzierten Sauerstoffs, der Anstrengung und der notwendigen Sorge für mich selbst, hat mir gezeigt: Was wir als Selbstverständlichkeit erleben ist das energetische Zusammenspiel von unserem Körper mit seiner Umwelt.

Es gibt keine Unabhängigkeit.
Alles ist mit allem verbunden.