Schatzsuche

Irgendwie hatte ich mich darauf gefreut, zwischen den jahren Zeit zum Aufräumen und Entrümpeln zu haben. So habe ich mich in den letzten Tagen durch eine Fülle von Ordnern gewühlt – zum Teil noch aus meinen Studienzeiten und von alten Weiterbildungen. Über Konzepte, Projekte, Team-Events und Ausbildungen, die ich gestaltet und durchgeführt habe.

Wie viel ich zusammen mit anderen bewegt hatte…
Und wie viele Menschen mich auf meinem Weg bewegt haben – manchmal nur für eine kurze Weile, manchmal für eine kleine Ewigkeit.

Exif_JPEG_PICTURE

Aus einem der Ordner ist mit dann plötzlich dieser handgeschrieben Zettel in den Schoß gefallen, den ich irgendwann 2009 geschrieben habe:

Ich denke gerne. Mein Geist bewohnt die Weite des Raumes und verbindet, was unverbunden ist.
Ich fühle mehr als ich denke. Wenn ich zuviel fühle, denke ich mehr. Ich liebe den Tanz dazwischen.
Ich weiß, alles ist Gnade. Manchmal weiß ich nur, dass ich nichts weiß. Das Leben führt.
Ich will immer weniger wollen. Alles wirklich wichtige begegnet mir. Jetzt.
Ich glaube, dass unsere Geschichte ein Geschenk ist. In ihr wurzelt unsere Zukunft.
Ich vertraue meiner Intuition – langsam. Ich war so weit fort. Der Weg zurück gelingt gemeinsam.
Ich empfinde mich als Körper – zuerst. Inkarnation vollzieht sich ein Leben lang.
Ich bin eine Seele, die spiegelt. Worte sind meine Flügel. Die Liebe ist der Wind, der mich trägt.

Ich hatte diese Worte vergessen, mit denen ich damals nach meinem Selbst greifen wollte.
Sie stimmen immer noch – auch wenn ich inzwischen wohl weniger greifen würde…

So wird Loslassen zum Wertschöpfen.
Und Aufräumen zur Schatzsuche.

Gabriele Fischer – Wie kommt das Leben in die Worte?

Eine letzte Geschichte möchte ich hier noch über Gabriele Fischer erzählen:

Mich hat an Brandeins von Anfang die Sprache begeistert. In einer Zeit, in der Medien vor allem die Macht der Bildern einsetzen, vertraut dieses Magazin auf den Zauber von Worten. Meine Frage an Gabriele Fischer war daher: Was ist das Besondere an der Brandeins-Sprache? Und wie schaffen Sie es, so viele Autoren eine Sprache sprechen zu lassen?

Gabriele Fischer ist sichtlich stolz auf diesen Unterschied. Dann korrigiert sie mich: Es gibt keine einheitliche Sprache. Jeder Autor schreibt in seiner eigene Sprache (stimmt!) – und das sei auch so gewollt. Aber es gäbe eine Grundhaltung, die für alle Autoren verbindlich ist: Jeder Artikel soll eine eigene Dramaturgie haben und den Leser mitnehmen auf eine emotionale Reise zu Menschen und Unternehmen.

Es geht also nicht um nüchterne Fakten – sondern um das Erzählen von Geschichten. Während Fakten und Informationen uns vor allem mental ansprechen, geschieht beim Geschichtenerzählen etwas ganz anderes. Sie berühren uns emotional und werden ganzheitlich (mental, emotional, körperlich) verarbeitet. Sie nehmen uns mit in eine andere Wirklichkeit. Sie beleben uns.

Die Macht der Sprache hat mich von kleinauf fasziniert. Darüber habe ich ja bereits an anderer Stelle geschrieben. Ich spürte schon damals – irgendwie, dass Worte heilen können, dass Sprache einen Körper und eine Seele hat. Ich wusste nur nicht, wie das Leben in die Worte kommt. Und wieso die Worte der meisten Menschen so leblos waren. Lag es daran, dass sie die Kunst des Sprechens nicht verstanden – oder dass mein Hören nicht tief genug reichte?

Ich habe als Kind unter heftigen Ohrenschmerzen gelitten. Und bis heute ist es so, dass ich es nur schwer ertragen kann, wenn Sprach-Worte eine andere Sprache sprechen als die Körper-Sprache. Leblose Worte tun mir im Ohr weh. Und es macht mich zornig, wenn ich erlebe, dass Worte achtlos ausgespuckt werden, so als könnten sie kein Unheil anrichten…

Heute weiß ich, dass sich in unserer Sprache ausdrückt, wie nah wir unseren Gefühlen sind. Und wie sehr unsere Gefühle im Körper verankert und verwurzelt sind.

An diesem Abend war jedes Wort mit Leben gefüllt und hat nach leibhaftigen Erfahrungen schmecken. Ich habe gelauscht – ganz ohne Ohrenschmerzen.

Manchmal machen Worte richtig satt – oder?

 

Ben Becker – Wenn Worte lebendig werden

Zu meinem letzten Geburtstag habe ich von Birgit-Rita Karten für die Bibel-Symphonie mit Ben Becker geschenkt bekommen. Und heute ist es so weit. Wir sitzen in der Kölnarena, Reihe 12 und haben einen freien Blick auf die Bühne. Ein Predigerpult, das Filmorchsester Babelsberg, die Zero Tolerance Band und eine Videoleinwand – aufgebaut wie ein dreiteiliger Triptychon.

Ich bin aufgeregt – und gespannt wie ein Flitzebogen. Es ist lange her, dass ich mir 3 Stunden Zeit für die Bibel genommen habe… Irgendwann in den 80ger Jahren als ich in Münster – neben anderen Fächern – auch Theologie studiert habe.

Während sich die Halle langsam füllt, tauchen Erinnerungen an die Gottesdienste meiner Kindheit auf… Jeden Sonntag hörte ich in der Kirche den Satz: Sprich nur ein Wort – und meine Seele wird gesund. Und ich weiß noch, wie ich mich immer bemüht habe, das gesprochene Wort so zu hören, dass es in mir lebendig wird.

Irgendwie wußte ich, dass Worte heilen und verändern können. Damals war ich ganz sicher, dass Worte in unserem Körper wirken, wenn wir sie nur richtig hören können. So habe ich Sonntag für Sonntag das Hören geübt und mein Empfindungsvermögen geschult.

Ich wußte damals noch nicht, dass uns nur Worte im Herzen bewegen können, die aus dem Herzen kommen. Und von Gefühlen war an diesen Sonntagen in der Kirche nicht wirklich viel zu spüren. Mitmenschlichkeit war so tief hinter Formalismen und Konventionen verborgen, dass ich vergeblich versucht, leere Worthülsen zum Leben zu erwecken.

Ben Becker hat nicht viel mit Religion am Hut – auch wenn er stets von einer Armada von Schutzengel umgeben zu sein scheint. Dafür bringt er jedoch – in alles was er tut – die geballte Leidenschaft seines Lebens mit ein.

Als er anfängt zu lesen beginnen mir die Tränen über das Gesicht zu laufen. Jedes Wort, jedes Bild bewegt mich. Durch ihn werden Worte, die ich unzählige Male gehört habe, plötzlich lebendig. Und jede biblische Geschichte wird zu einer Geschichte aus meinem Leben – errungen, gefühlt und erlitten. An diesem Abend werden Hören und Sprechen in mir eins… Und meiner Liebe für die Kraft der Worte wachsen Flügel.

Wenn wir uns ganz geben, werden Worte lebendig.

Übrigens: Die Erstaufführung im Tempodrom Berlin 2007 gibt es auch auf DVD. Sehr sehens- und hörenswert!

Über die Macht der Sprache

Daniel Goleman hat 1995 mit seinem Buch Emotionale Intelligenz den Grundstock dafür gelegt, dass wir 2007 so selbstverständlich über die Relevanz von Gefühlen und über emotionale Kompetenzen sprechen können.

Heute habe ich ihn als Redner bei TED entdeckt. Sein Vortrag ist auf Englisch, aber absolut sehens- und hörenswert. Wenn er über Compassion spricht, dann klingt es weder spirituell noch abgehoben… Es trägt auch keinen Geschmack von Schuld oder Scham… Es klingt nach Mitmenschlichkeit, nach Aufmerksamkeit, nach einfacher Verbundenheit unter Menschen. Wenn wir in Deutschland von Mitgefühl und Mitmenschlichkeit sprechen, dann klingen diese Worte oftmals verstaubt und weltfremd.

Manchmal verzweifle ich daran, wie abgenutzt unsere Worte sind. Wir haben eine so wunderbar vielfältige Sprache… Mit ihr können wir komplexe Empfindungen und Wahrnehmungen genau beschreiben… Mit ihr können umfassende Welterfahrungen in Worte gefasst und begriffen werden.

Doch immer wieder spüre ich den Impuls, manche Worte nicht zu nutzen, weil sie mit alten Meinungen so beschwert sind, dass sie meinem unmittelbaren Gefühl keine Flügel schenken können…

Ich liebe die deutsche Sprache. Sie schenkt mir Differenzierung und Genauigkeit. Aber manchmal macht sie mich sprachlos… Wenn wir den Wort-Raum eines Worte mit unseren Interpretationen so besetzt haben, dass es keinen freien Raum mehr für unkonventionelle Erfahrungen gibt, dann ringe ich mit den Worten und hadere mit meiner Sprache.

Kennen Sie das auch? Und wenn ja – bei welchen Worten?