Der sechste Sinn gehört dem ganzen Körper

Jeder kennt die fünf Sinnesorgane – und natürlich auch den siebten Sinn. Der sechste Sinn ist so selbstverständlich, dass wir ihn in der Regel vergessen und kaum bedenken – unser Körpersinn. Zahlreiche Rezeptoren an Muskeln, Sehnen und Knochen vermitteln uns ein Gefühl für unseren Körper und für unsere Bewegungen im Raum – jeden Augenblick und ohne, das wir es bewusst wahrnehmen.

Bei Zeit online habe ich einen Artikel gefunden, der unseren Körpersinn wunderbar anschaulich beschreibt. Es lohnt sich ihn zu lesen. Mich hat er – mitten in meinen alltäglichen Bewegungen – zum Staunen gebracht.

Der verlorene Geschmack

Ich habe mich schon oft gefragt, wo eigentlich der Geschmack der Tomaten geblieben ist… Bei ZEIT online entdeckte ich die Video-Serie Dr. Max erklärt die Welt. Dort werden interessante wissenschaftlicher Erkenntnisse alltagstauglich erklärt.

https://youtu.be/xsbkUm81eZA

In seinem letzten Video erläutert Dr. Max, dass Tomaten ihren Geschmack verlieren, weil sie in einer Umgebung aufwachsen, die sie verwöhnt und unterfordert. Sie wurzeln nicht mehr in der Erde, sondern in Steinwolle. Sie werden regelmäßig mit Nährlösungen versorgt. Ihnen geht es einfach zu gut. Sie müssen keinerlei Stress mehr durchleben – und verlieren damit ihren Geschmack und ihre Originalität.

Uns Menschen geht es wie den Tomaten. Erst durch die Reibung mit den Hindernissen und Engpässen des Lebens wachsen Werte und unser individueller Geschmack. Entwicklung ohne Wachstumsstress fördert geschmacklose Beliebigkeit – aber keine Reife. Jemandem die beste Lösung zu präsentieren – statt ihn darin zu unterstützen, dass er sie sich erarbeitet kann – scheint mir ein folgenschwerer Geschmackszerstörer zu sein…

Was für eine Herausforderung an die Pädagogik und die Führung…

Das Parfüm

Es war eines der ungewöhnlichsten Filmerlebnisse meines Lebens. Ein Sinnenspektakel, eine choreographische Meisterleistung. Eine Hinführung ins Mitgefühl, die unwiderstehlich ist…

Das Parfum - offizieller Trailer

Paris 1738: Grenouille wird mit einer außergewöhnlichen Begabung geboren. Er ist ein Wunderkind des Riechens. Er kompensiert seine Sehnsucht nach Liebe mit seinem größten Talent – so, wie wir es alle tun. Er ist besessen von dem Wunsch, durch einen Duft in die Liebe zu finden und zu führen.

Die Seele aller Wesen ist ihr Duft

Er erfindet ihn und die Menschen erliegen ihm – allerdings nicht aus Liebe, sondern durch die Manipulation ihres Geruchssinns. Sein perfekter Duft macht ihn am Ende einsamer als er je war.

Unser größtes Talent führt – solange es als Kompensation benutzt wird – immer an der Sehnsucht vorbei. Das größte Genie wird – so lange es seinen Schatten nicht kennt – nicht in die Liebe führen, sondern Leid und Schmerz erzeugen.

Am Ende ist keines meiner Gefühle eindeutig geblieben. Dieser Film bietet keine einfachen emotionalen Projektion an. Im Gegenteil – jedes Gefühl wird verstört, weil es einen emotionalen Doppelgänger hat, der die andere Seite fühlbar macht: Neben der Angst vor dem Bösen entsteht die Faszination für das Genie. Das scheinbar Unmoralisch-Mörderische wird mit so viel Schönheit inszeniert, dass die Liebe zu unseren eigenen Schatten unvermeidbar ist…

Der Film spielt mit unserer Sehnsucht nach Liebe… Und die fühlbare Beziehungslosigkeit von Grenouille schmerzt bis ins Mark… Ohne die Liebe zu unserem Schatten bleibt unser Wirken reine Manipulation… und jede Gabe ein Fluch…

Bernd Eichinger und Tom Tykwer ist ein Meisterwerk gelungen.