Du sollst dich selbst unterbrechen

Dorothee Sölle war eine engagierte politische Theologin (1929-2003). Sie war Pazifistin, Antifaschistin und Poetin. Als ich studiert habe, war sie für mich ein mutiges Leitbilder… Ihre Theologie war immer von dem Bewusstsein geprägt, eine Theologie-nach-Ausschwitz zu sein. Theologisches Nachdenken ohne politische Konsequenzen war für sie Heuchelei.

Und doch gehört sie zu denen, die dabei immer liebevoll im Alltag wurzelte. Und Gedichte schrieb, die den Rhythmus meines Herzen verändert haben. Wie dieses zum Beispiel. Die Erinnerung an die bewusst gewählte Musterunterbrechnung trifft für mich das Mark der Zeit.

Du sollst dich selbst unterbrechen

Zwischen Arbeiten und Konsumieren
soll Stille sein und Freude,
dem Gruß des Engels zu lauschen:
Fürchte dich nicht!

Zwischen Aufräumen und Vorbereiten
sollst du es in dir singen hören,
das alte Lied der Sehnsucht:
Maranata, komm, Gott, komm!

Zwischen Wegschaffen und Vorplanen
sollst du dich erinnern an den ersten Schöpfungsmorgen,
deinen und aller Anfang,
als die Sonne aufging ohne Zweck
und du nicht berechnet wurdest
in der Zeit,
die niemandem gehört
außer dem Ewigen.
(Dorothee Sölle)

Kraft entsteht in der Pause

Eigentlich habe ich damals nur aus Not entschleunigt. Ich konnte einfach nicht mehr. Meine altgewohnten leistungsorientierten Funktionsmustern hatten mich total ausgebrannt, die (immer persönlich zu zahlenden) Kosten waren zu hoch geworden. Ich brauchte Raum und Zeit für mich – und fürs Nichtstun.

Irgendwann habe ich dann den Gelben Stift genommen und bestimmte Tage im Monate für mich markiert: Tage, an denen ich keine Termine oder Verabredungen annehme. Tage, die nur dafür vorgesehen sind, dass ich das tue, wozu ich Lust habe. An denen ich meinen – manchmal verrückten, manchmal banalen – Impulsen folge.

Wie gesagt: Eigentlich habe ich aus purer Not entschleunigt.
Doch was ich mit diesen Gelben Tagen erlebt habe, hat jede meiner Vorstellungen gesprengt:

Ich bin auf völlig neue Fragen gestoßen
Meine kreativen Ideen haben rapide zugenommen.
Die Lust auf meine Leben ist sprunghaft angestiegen.
Ich habe andere Herausforderungen und Angebote angezogen – und mit weniger Aufwand mehr bewirkt.

Heute weiß ich, dass ich erst durch Entschleunigung wirksam werde. Durch die Zeit zwischen den Aufgaben. Durch die Zeit für pure menschliche Begegnungen, die nähren und inspirieren.

Meine Kraft entsteht in der Pause.