Wer ist eine Führungskraft?

Ich fahre zum Einkaufen. Im Radio läuft WDR 5. Die Erzieher streiken – für bessere Arbeitsbedingungen und die Anerkennung ihrer Arbeit. In einem Interview spricht eine Erzieherin über die Kinder von heute – und die Arbeitssituation von Erzieherinnen. Es ist so spannend, dass ich noch eine Weile im Auto bleibe, um jedes Wort zu hören. Endlich, denke ich, bekommt dieses Thema öffentliche Aufmerksamkeit.

Bei Führungskräften denken wir immer zuerst an Menschen, die in der Wirtschaft  Positionen der Macht und damit gut bezahlten Jobs besetzen. Dagegen habe ich gar nichts… und doch ist etwas daran für mich nicht stimmig.

Der Begriff Führung wird in der Regel für Menschen verwendet, die mit ihrer Arbeit einen finanziellen Umsatz erwirtschaften und verantworten. Er wird bisher so gut wie gar nicht auf Menschen bezogen, die diesen gesellschaftlichen Mehrwert in unsere Zukunft reinvestieren – als Entwicklungsförderung, durch die Vermittlung von emotionalen und sozialen Kompetenzen, durch die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, als Gesundheitsfürsorge…

Das ist fatal, denn es schwächt die, die für unsere emotionale und soziale Nachhaltigkeit verantwortlich sind. Wirtschaftliche Führungskräfte erwirtschaften unser gemeinsames Vermögen. Doch wenn es darum geht, mit diesem Geld unsere Zukunft zu fördern, liegt vieles in den Händen von sozialen Führungskräfte.

Nach dem Interview, sitze ich noch eine Weile nachdenklich im Auto. Wenn sich nur mehr Menschen als Führungskräfte verstehen würden – wir könnten sicherlich viel bewegen. So viel tragen Führungsverantwortung – Tag für Tag, selbstverständlich und einfach…

Integrative Führung bedeutet für mich, dass jeder eine Führungskraft ist, der für die Mitgestaltung unserer Zukunft Verantwortung trägt. Zu ihnen gehören – neben den Führungskräften aus der Wirtschaft – auch Erzieher, Lehrer, Physiotherapeuten und Psychotherapeuten, Heilpraktiker und Mediziner.

Ich spüre, wie wichtig es Birgit-Rita Reifferscheidt und mir ist, neue Führungsimpulse zu setzen, einen  Selbstführungs-Kompass zu initiieren, persönliche Transformationsprozesse zu begleiten… Und Talente zu fördern, die im Schatten herangewachsen sind, aber für unsere Zukunft von nachhaltiger Bedeutung sind.

Wo übernehmen Sie gerade Führung in Ihrem Leben? Und wie geht es Ihnen mit den Erzieherinnen im Kindergarten, den Lehrern, ihrem Therapeuten oder Arzt – als Führungskraft?

Wir möchten gerne Mutmacher-Erfahrungen sammeln…

Horst Köhler – Scheitern als Chance

Irgendwann zwischen 25 und 30 habe ich – nach Jahren engagierter politischer Arbeit – mit viele Resignation entschieden, dass Politik langsam, langatmig und langweilig ist.

Im letzten Jahr ist es Barack Obama gelungen, wieder meine politische Aufmerksamkeit zu wecken. Heute finde ich bei Wolff Horbach die Berliner Rede 2009 unseres Bundespräsidenten Horst Köhler.

Eigentlich finde ich politische Reden langatmig und langweilig… Aber hier berührt mich mich schon die erste Zeile zutiefst: ‚Ich will ihnen die Geschichte meines Scheiterns erzählen‘.

Für eine ganze Weile starre ich auf diesen Satz und kann es nicht glauben – Unser Bundespräsident spricht tatsächlich in aller Öffentlichkeit über einen persönlichen Scheiterprozess.

Ihm gelingt, die Weisheit unserer deutschen Geschichte zu Wort kommen zu lassen und dabei aus einer Bescheidenheit zu sprechen, die uns nur das Scheiterns lehren kann…

Das mich Politik noch einmal so berührt, hätte ich nicht gedacht.

In jedem Handicap liegt ein Talent

Mit Faszination lese ich bei Spiegel online in dem Artikel Erfolgreich mit Autisten über ein dänisches IT-Unternehmen, das Autisten eingestellt hat und damit sehr erfolgreich arbeitet.

Der Gründer Thorkil Sonne hat selber einen autistischen Sohn und hautnah miterlebt, wie detailgenau und fehlerfrei Autisten sind – auch wenn sie im sozialen Bereich gehandicapt sind. In seiner Firma arbeiten heute 37 Autisten. Immer mehr seiner Kunden lernen, dass er viele Aufträge mit seiner Firma zuverlässiger ausführen kann als andere – gerade weil er mit Autisten arbeiten.

Felicitas Heyne beschreibt einen autistischen Jungen, der in einer lebensbedrohichen Situation gerade dadurch überlebte, dass er nicht durch seine Gefühle in Panik gerät.

Autismus ist mehr als eine Behinderung. Es ist – wie jedes Handicap – eine Begabung. Mich macht das neugierig, auf die Menschen, die etwas nicht können. Menschen mit Lernstörungen, mit Aufmerksamkeitsdefiziten, mit Behinderungen…

Mich macht es neugierig auf das, was ich nicht kann. Dort liegt – ganz offensichtlich – ein Schatz verborgen.

Leben und Arbeiten in der Zukunft

Nach wie vor werden Tausende aus ihrer Arbeit entlassen. Gleichzeitig wird denen, die Arbeit haben, soviel davon aufgebürdet, dass sie kaum zum Leben kommen. Viele Jugendliche streben nach einem ‚perfekten Lebenslauf’ – ohne dass sie ihre persönlichen Vorlieben kennen. Gleichzeitig werden jedoch zunehmend Führungskräfte mit einer brüchigen Biographie gesucht.

Der subjektiv erlebte Leistungsdruck ist inzwischen so groß, dass wir weder das Leben noch unser Arbeit genießen können.

Die gewohnte Sicherheit einer lebenslangen Festanstellung wird es in Zukunft nicht mehr geben. Es gab in der Geschichte noch nie so viel Notwendigkeit und Spielraum für Quergedachtes. Für die Entwicklung von wirksamen Veränderungsstrategien sind inzwischen gerade Unkonventionelles und Kombiniertes wichtig geworden.

Einen Buisness-Blog für diese Querdenker hat Elita Wiegand ins Leben gerufen. Seit 2 Wochen haben sie eine neue Kategorie eingeführt: Leben und Arbeiten in der Zukunft. Hier werden Arbeitsformen vorgestellt, die ungewöhnlich sind – ohne eigenbrötlerisch zu sein.

Mich begeistert diese Entwicklung. Sie schenkt uns die Möglichkeit, dem zu folgen, was uns am meisten inspiriert, zu teilen, was wir am besten können und uns in dem zu kombinieren, was uns fehlen.

Ich freue mich sehr auf das Buch: Wir nennen es Arbeit. Es fühlt sich an wie ein guter Start in die neuen Sichtweisen für 2007. Danke für deinen Tipp.

Ansteckende Kreativität

In meiner Supervisionsgruppe für Lehrer erzählt Peter von TED. Der Vortrag über Kreativität von Ken Robinson habe ihn wie ein ICE-Zug getroffen. Kurze Zeit später sitzen wir gemeinsam vor dem Bildschirm und lauschen dem Videoclip. Immer wieder nicken alle oder lachen. Robinson spricht mit ansteckender Begeisterung und Humor von dem, was ihn bewegt: Ohne Kreativität verkümmert jede Intelligenz und damit jede Form der Bildung zur Mittelmäßigkeit.

Es gibt Menschen, die kommen erst in Bewegung auf die wichtigen Gedanken. Wir lernen 10 Jahre lang Mathe – auch wenn wir keine mathematische Begabung haben. Warum lässt man uns nicht gleichzeitig 10 Jahre lang tanzen – wo wir doch alle einen Körper haben?

Kein Wunder, dass so viele Kinder ADHS haben… Sie dürfen sich einfach nicht genug bewegen.

Auf Grund dieses TED Talks hat Peter als Schulleiter angeordnet, jede Art von kreativen Aktivitäten in seiner Schule zu unterstützen. Ein Zirkusprojekt wurde angeregt und ein Kurs für Improvisation + Theater ins Leben gerufen… Ein kreatives Schulfest mit 1200 Schülern wurde ein riesiger Erfolg.

Worte wirken. Unkonventionelle Weg stecken an.