Ein Vater mit Rhythmus im Blut

Bobby Mc Ferrin ist ein Musiker, der mich immer wieder neu begeistert. Jetzt habe ich erfahren, dass sein Vater (Robert Mac Ferrin) der erste afroamerikanischer Opernsänger an der Metropolitan Opera in New York war.  Er hat zusammen mit seiner Frau Debbie drei Kinder – und sie alle haben Musik im Blut.

Wer wäre ich wohl aus mir geworden, wenn mein Vater so viele Musik verkörpert hätte?

Bobby McFerrin from USA - Interview - Beatbox Battle TV

Musik ist so mächtig wie die Liebe

Ich habe gerade bei TED ein wirklich bemerkenswertes Video gesehen. Emmanuel Jal gehörte zu den Kindersoldaten, die im Sudan eingesetzt worden sind. Nach 5 Jahren im Krieg wird er verletzt, von europäischen Entwicklungshelfern gerettet und lernt Emma Cun kennen. Sie führt ihn in die Welt der Musik und schenkt ihm damit einen Weg in die Liebe. Heute ist er ein Hip-Hop-Star und kämpft mit seiner Musik für die Kinder in Kriegsgebieten. Bei TED erzählt er seine Geschichte – und singt sein Lied.

Ich finde es unglaublich, welche Kraft ihm ein einziger Mensch und die Musik geschenkt haben. Durch Emma Cun hat er angefangen, seine eigene Geschichte zu besingen. Heute kämpft er für die Finanzierung für Schulen im Sudan. Bildung ist für ihn das wichtigste Mittel gegen Hass und Rache. Nur wer lesen und schreiben kann und einen Zugang zum Internet hat, kann seine eigene Stimme beschützen und sich ausdrücken. In einem Interview sagt Emannuel Jal: Education empowers people. Education will enlighten the world.

Als ich Mitte 20 war, habe ich mich für unsere nationalsozialistische Geschichte geschämt. Heute bin ich immer wieder schockiert und peinlich berührt, wenn deutlich wird, dass wir in der internationalen Gemeinschaft nun wirklich kein leuchtendes Beispiel für eine innovative Bildungspolitik sind.

Und dass, obwohl wir doch aus eigener Erfahrung wissen sollten: Gefühle sind manipulierbar – vor allem bei fehlender Bildung. Angst macht dumm – und Kriege werden nun einmal aus Angst geführt.

Ich würde wirklich gerne Emma Cun kennen lernen.

Musik im Körper

Ich war gestern zu einem Hauskonzert bei Paola Tedde – Klavier, Harfe und Gesang. Nach dem Konzert spreche mit dem Pianisten und der Harfinistin. Es sind zwei junge Menschen aus Belgrad, die vor einigen Jahren nach Deutschland gekommen sind, um Musik zu studieren.

Sie erzählen mir, dass sich in Serbien mit der Sprache der Musik nach wie vor noch keine Geld verdienen läßt. Die Auswirkungen des Krieges dauern einfach um ein Vielfaches länger als der Krieg selber… Bei den Kinder, die im Krieg aufgewachsen sind, schreibt er seine Erfahrungen als Prägungscode in den Körper und wirkt so bis in die nächsten Generationen.

Der Pianist hat ganz zauberhaft gespielt, doch jedesmal wenn er vom Klavier aufstand und sich bewegte, war ich erstaunt über die Brüche in seinem Körper. Seine körperlichen Bewegungen waren so abgehackt, dass es auf einmal unvorstellbar war, dass er musikalische Harmonien so wunderbar ausdrücken kann.

Manche Begabungen finden scheinbar – trotz aller Hindernisse – ihren Weg in die Welt. Wie das möglich ist? Wie können Hände so viel Verbundenheit ausdrücken, wenn es im Körper so viele Unverbundenheiten gibt? Und was macht der Krieg aus der Musik unseres Körpers?

Würde er seine eigene Geschichte emotional aufarbeiten und die Brüche in seinem Körper erlösen… Ich bin mir sicher – seine musikalischen Begabung würden explodieren und sich um ein Vielfaches steigern.

Ich habe ein Ohr und ein Auge für besondere Begabungen – und ich weiß um die Wurzelkraft unserer Geschichte. Menschen wie ihn würde ich gerne fördern und begleiten…

Ben Becker – Wenn Worte lebendig werden

Zu meinem letzten Geburtstag habe ich von Birgit-Rita Karten für die Bibel-Symphonie mit Ben Becker geschenkt bekommen. Und heute ist es so weit. Wir sitzen in der Kölnarena, Reihe 12 und haben einen freien Blick auf die Bühne. Ein Predigerpult, das Filmorchsester Babelsberg, die Zero Tolerance Band und eine Videoleinwand – aufgebaut wie ein dreiteiliger Triptychon.

Ich bin aufgeregt – und gespannt wie ein Flitzebogen. Es ist lange her, dass ich mir 3 Stunden Zeit für die Bibel genommen habe… Irgendwann in den 80ger Jahren als ich in Münster – neben anderen Fächern – auch Theologie studiert habe.

Während sich die Halle langsam füllt, tauchen Erinnerungen an die Gottesdienste meiner Kindheit auf… Jeden Sonntag hörte ich in der Kirche den Satz: Sprich nur ein Wort – und meine Seele wird gesund. Und ich weiß noch, wie ich mich immer bemüht habe, das gesprochene Wort so zu hören, dass es in mir lebendig wird.

Irgendwie wußte ich, dass Worte heilen und verändern können. Damals war ich ganz sicher, dass Worte in unserem Körper wirken, wenn wir sie nur richtig hören können. So habe ich Sonntag für Sonntag das Hören geübt und mein Empfindungsvermögen geschult.

Ich wußte damals noch nicht, dass uns nur Worte im Herzen bewegen können, die aus dem Herzen kommen. Und von Gefühlen war an diesen Sonntagen in der Kirche nicht wirklich viel zu spüren. Mitmenschlichkeit war so tief hinter Formalismen und Konventionen verborgen, dass ich vergeblich versucht, leere Worthülsen zum Leben zu erwecken.

Ben Becker hat nicht viel mit Religion am Hut – auch wenn er stets von einer Armada von Schutzengel umgeben zu sein scheint. Dafür bringt er jedoch – in alles was er tut – die geballte Leidenschaft seines Lebens mit ein.

Als er anfängt zu lesen beginnen mir die Tränen über das Gesicht zu laufen. Jedes Wort, jedes Bild bewegt mich. Durch ihn werden Worte, die ich unzählige Male gehört habe, plötzlich lebendig. Und jede biblische Geschichte wird zu einer Geschichte aus meinem Leben – errungen, gefühlt und erlitten. An diesem Abend werden Hören und Sprechen in mir eins… Und meiner Liebe für die Kraft der Worte wachsen Flügel.

Wenn wir uns ganz geben, werden Worte lebendig.

Übrigens: Die Erstaufführung im Tempodrom Berlin 2007 gibt es auch auf DVD. Sehr sehens- und hörenswert!