Gabriele Fischer – Wie kommt das Leben in die Worte?

Eine letzte Geschichte möchte ich hier noch über Gabriele Fischer erzählen:

Mich hat an Brandeins von Anfang die Sprache begeistert. In einer Zeit, in der Medien vor allem die Macht der Bildern einsetzen, vertraut dieses Magazin auf den Zauber von Worten. Meine Frage an Gabriele Fischer war daher: Was ist das Besondere an der Brandeins-Sprache? Und wie schaffen Sie es, so viele Autoren eine Sprache sprechen zu lassen?

Gabriele Fischer ist sichtlich stolz auf diesen Unterschied. Dann korrigiert sie mich: Es gibt keine einheitliche Sprache. Jeder Autor schreibt in seiner eigene Sprache (stimmt!) – und das sei auch so gewollt. Aber es gäbe eine Grundhaltung, die für alle Autoren verbindlich ist: Jeder Artikel soll eine eigene Dramaturgie haben und den Leser mitnehmen auf eine emotionale Reise zu Menschen und Unternehmen.

Es geht also nicht um nüchterne Fakten – sondern um das Erzählen von Geschichten. Während Fakten und Informationen uns vor allem mental ansprechen, geschieht beim Geschichtenerzählen etwas ganz anderes. Sie berühren uns emotional und werden ganzheitlich (mental, emotional, körperlich) verarbeitet. Sie nehmen uns mit in eine andere Wirklichkeit. Sie beleben uns.

Die Macht der Sprache hat mich von kleinauf fasziniert. Darüber habe ich ja bereits an anderer Stelle geschrieben. Ich spürte schon damals – irgendwie, dass Worte heilen können, dass Sprache einen Körper und eine Seele hat. Ich wusste nur nicht, wie das Leben in die Worte kommt. Und wieso die Worte der meisten Menschen so leblos waren. Lag es daran, dass sie die Kunst des Sprechens nicht verstanden – oder dass mein Hören nicht tief genug reichte?

Ich habe als Kind unter heftigen Ohrenschmerzen gelitten. Und bis heute ist es so, dass ich es nur schwer ertragen kann, wenn Sprach-Worte eine andere Sprache sprechen als die Körper-Sprache. Leblose Worte tun mir im Ohr weh. Und es macht mich zornig, wenn ich erlebe, dass Worte achtlos ausgespuckt werden, so als könnten sie kein Unheil anrichten…

Heute weiß ich, dass sich in unserer Sprache ausdrückt, wie nah wir unseren Gefühlen sind. Und wie sehr unsere Gefühle im Körper verankert und verwurzelt sind.

An diesem Abend war jedes Wort mit Leben gefüllt und hat nach leibhaftigen Erfahrungen schmecken. Ich habe gelauscht – ganz ohne Ohrenschmerzen.

Manchmal machen Worte richtig satt – oder?

 

Gabriele Fischer – Gegen den Wind segeln

Nach meiner ersten und zweiten Episode ist dies nun meine dritte Geschichte über einen Abend mit Gabriele Fischer.

Eine der Düsseldorfer Unternehmerinnen stellte die Frage, wie Brandeins es geschafft hat, zehn Jahre lang mit gleichbleibender Qualität zu erscheinen.

Gabriele Fischer erzählt, dass sie am Anfang vor allem Wut, Verzweiflung und auch Selbstüberschätzung getragen hätten. Sieben Jahre lang musste sie um jede einzelne Ausgabe des Magazins kämpfen. Jedes Heft war mit großen finanziellen Risiken verbunden – die Insolvenz stand jeden Tag vor der Tür.

Doch in der Redaktion waren sich alle einig: Wenn sie schon untergehen sollten, dann mit der besten Ausgabe, die es je gegeben hat. So haben sie immer wieder ihr Bestes gegeben und jedes Wort mit Fleisch und Blut gefüllt. Als es mit Brandeins 2006 endlich bergauf ging, war der selbstgewählte Qualitätsstandard für alle selbstständlich geworden.

Ich weiß genau, wovon sie redet… Als wir vor sieben Jahren SONNOS ins Leben gerufen haben, wußten wir, dass es in Deutschland – nach einer Zeit von Wachstum und Reformation – nun um grundlegende Transformationen geht. In Zeit des Übergangs würde sich Verantwortung vor allem als Selbst-Verantwortung zeigen, und die persönliche Wirksamkeit mehr und mehr von der eigenen Authentizität abhängen. Die Quellen, aus denen wir unseren Selbstwert schöpfen würden sich ändern – und auch die Formen, in denen wir unsere Beziehungen leben und gestaltet.

Wir wollten Menschen auf diesen Veränderungsprozess vorbereiten und sie dazu befähigen, sich und andere durch Krisen führen zu können. Unsere Sichtweise eines sich vollziehenden Transformationsprozesses stieß am Anfang oft auf Unverständnis. Wir sind die ersten Jahre entweder im Windschatten oder gegen den Wind gesegelt… Auf einmal spüre ich, wie gut uns dieser Gegenwind getan hat. Er hat uns unbestechlich gemacht, und uns die Kraft verliehen, gegen den Strom zu schwimmen.

Wir bekommen wohl immer die Herausforderungen geschenkt, durch die wir gerade am besten wachsen können. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass mir die Unterstützung und Bestätigung durch andere die größte Kraft verleiht. An diesem Abend spüre ich deutlich: Um eine transformatorische Wirkung zu entwickeln, brauchen wir gerade die Windstärken, die uns von vorne entgegenblasen. Es gibt eine Kraft, die erst im Gegen-den-Wind-segeln entsteht…

Kennen Sie in Ihrem Leben auch diesen Unterschied zwischen der Kraft der Bestätigung und der Kraft des Gegenwinds? Und welche Fähigkeiten von Ihnen haben sich vor allem durch die Windstärken-von-vorne entwickelt?

Gabriele Fischer – Transformation in der Wirtschaft

Am Anfang von Brandeins stand ein deutliches Gefühl: Gabriele Fischer spürte, dass es massive transformatorische Veränderungen geben wird, die zu neuen wirtschaftlichen Bewegungen führen. Der Wandel von einer Industriegesellschaft in eine Wissensgesellschaft hat vielfältige Auswirkungen auf die Wirtschaft. Diese Veränderungen wollte sie mit ihrem Magazin unterstützen, fördern und beschreiben.

1998 bringt Gabriele Fischer, die beim Manager-Magazin arbeitet, dort das Magazin Econy heraus. Nach zwei Ausgaben wird das Magazin wieder eingestellt. Es sei zu ungewöhnlich, um genügend Käufer zu finden. Sie findet für Econy einen anderen Verlag, doch auch der stellt die Produktion wieder ein. 1999 macht sie sich schließlich mit ihrer Redaktion selbständig. Sie pumpt Freunde an, beleiht ihre Wohnung, kündigt die private Altersversorge – und bringt Brandeins heraus.

Die Vision einer sich transformierenden Ökonmomie hat ihrem Team die Kraft verliehen, unbeirrbar an das Magazin zu glauben. Brandeins beginnt erst 2006 schwarze Zahlen zu schreiben. Sie wußte: Wir leben in der aufregendsten Zeit von allen. Jetzt geht es nicht mehr um Wachstum (wie nach dem Krieg). Es geht auch nicht mehr um Reformation (wie in den 70ger und 80ger Jahren). Es geht um Transformation – und das beinhaltet Krisen, denn erst sie ermöglichen einen radikalen Strukturwandel.

Diese Transformation braucht neue Führungsmodelle – eine ethische Haltung des Unternehmens und ein mitmenschlicher Umgang mit Mitarbeitern und Kunden werden notwendig. Ohne Authentizität und persönliche Glaubwürdigkeit ist kein langfristiger Erfolg mehr möglich.

Und – vor allen andern Dingen – braucht es eine Selbstführung, die uns den Umgang mit den ungeliebten Gefühlen erleichtern (Angst, Unsicherheit, Hilflosigkeit…) und damit Veränderungsprozessen in Beziehungen und Partnerschaften ermöglichen.

Ach ja – ich finde auch: Wir leben in einer der aufregendsten Zeiten…
Und ich geniesse es in vollen Zügen.

Gabriele Fischer – Verlegerin und Chefin von Brandeins

Brandeins ist ein Wirtschaftsmagazin, das ich seit Jahren mit viel Begeisterung lese. Ich weiß noch genau, wie ich vor 10 Jahren in einer Bahnhofsbuchhandlung eine der ersten Ausgaben des Magazins in den Händen hielt – und kaufte. Während der anschließenden Zugfahrt habe ich das Magazin verschlungen – Wort für Wort und Artikel für Artikel. Ich war erstaunt und zutiefst inspiriert, dass es in Deutschland möglich ist, so über Wirtschaft zu denken und zu schreiben.

Wer war diese Gabriele Fischer, die es gewagt und geschafft ein Magazin auf den Markt zu bringen, dass so gegen den Mainstream der Wirtschaftsmagazine angedacht war? Irgendwann 2004 wurde sie im Magazin sichtbar. Ihrem Editorial wurde ein Bild an die Seite gestellt. Seit ich das erste Mal ein Foto von ihr sah, hat mich der Wunsch begleitet, Gabriele Fischer einmal persönlich kennenzulernen.

Jetzt haben die Düsseldorfer Unternehmerinnen Gabriele Fischer zu einem After Dinner Talk in den Wirtschaftsclub nach Düsseldorf eingeladen… Und mein Wunsch ging in Erfüllung.

Ich habe selten einen Abend so genossen, wie diesen. Es gab ein kleines feines Essen – und zwischen den einzelnen Gängen ihre Erfahrungen mit Brandeins – verpackt in Geschichten über ein Magazin, über Journalisten, Texter, Leser, Abonnenten und Konkurrenten… Aber auch über ehrliche Gefühle, über die Kraft des Eigensinns und darüber, wie viel Unterstützung wir bekommen, wenn wir uns ganz geben…

Sie ist geistreich, lebendig, herzvoll, leidenschaftlich. Eine Kämpferin – durch jahrelangen Gegenwind präzise geworden und humorvoll. An diesem Abend hat Gabriele Fischer – in einem Zusammenspiel von Fragen und Antworten – Themen angesprochen, die mich so bewegt haben, dass ich mich entschieden haben, in den nächsten Tagen mehr davon zu erzählen.

Vielleicht haben Sie ja Lust auf eine handvoll Geschichten aus einen Abend.