Heimat – Im Fremden Zuhause sein

Heute morgen habe ich den Beitrag von Fulbert Steffensky in NDR Kultur gehört: Heimat – ein Haus in der fremden Welt. Überlegungen eines Zugvogels. Sein Essay hat mich tief bewegt.

Die Orte meiner Kindheit waren für mich stets eine vorübergehende Heimat. So etwas wie eine Sprungbrett. Hinein in eine Heimat, die man wählt – sich selber wählen muß. Überall dort, wo man nur sich selbst kennt, leben wir aus dem Leben unserer Vorfahren – und Zukunft ist kaum möglich. Die Prägung der eigenen Familiengeschichte ist einfach zu groß, als dass wir in ihr als Original auftauchen könnten. Ich wußte irgendwie schon damals: Ins Eigenen kommen wir nur durch die Anderen.

Viele aus meiner Generation haben sich im Deutschland der 70ger, 80ger Jahren wie Fremde gefühlt. Viele Anliegen, Fragen, Forderungen, Reflexionen, die wichtig waren, um in unserer eigenen (schmerzlichen) Geschichte beheimatet sein zu können, wurden abgewehrt und bekämpft. Ihnen wurde nicht einmal Asyl gewährt (in Politik, Gesellschaft und Religion). Fremdsein – das war für uns damals die beste aller Heimaten.

 

Heimat war in Deutschland lange ein geschändetes Wort, voller düsterer Erinnerungen und Gefühle. Nun gewinnt dieses Wort eine neue Bedeutung – durch alle, die aus der Fremde kommen, um bei uns eine neue Heimat zu finden.

Man weiß erst, wer man ist, wenn man sich dem Schmerz der Fremdheit aussetzt. Man lernt den eigenen Reichtum erst kennen, wenn man sich mit fremden Lebensentwürfen und Religionen auseinandersetzen muß. Und man lernt den eigene Mangel erst kennen, wenn man auf den Reichtum des Fremden stößt. Wo man nur sich selber kennt, besteht die Gefahr, dass man sich für einzigartig hält. Man kann sich kaum hinterfragen, wenn man die Fremde und das Fremde nicht an sich ranläßt. Man bringt sich um die Freiheit zu wachsen und mehr zu werden als man ist, wenn man sich der Fremdheit der Anderen verweigert.

Mit den Jahren ist durch die Dankbarkeit für meine Wurzeln auch ein emotionales Gefühl für meine Geburtsheimat gewachsen. Heute ist für mich Dankbarkeit eine der wichtigsten Brücken in die Heimat.
Überall dort, wo Dankbarkeit zuhause ist, kann ich zuhause sein.