Das Pinguin-Prinzip

Eckhart von Hirschhausen bringt es auf den Punkt: Wer als Pinguin geboren wurde, wird niemals zu einer Giraffe. Ganz gleich, wie sehr wir uns anstrengen, wir können nicht anders werden als wir sind. Was nicht bedeutet, dass es nicht gut ist, sich immer mal wieder in Frage zu stellen – oder stellen zu lassen. Doch die Gabe der Selbstreflektion ist irgendwie ungleich verteilt… Den einen fehlt sie beinah ganz, von anderen wird sie nahezu exzessiv betrieben.

Für alle, die zu viel Zeit damit verbringen, ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu reflektieren, ist dieses Video wie gemacht.

Potenziale sind Resonanzphänomene. Sie offenbaren sich nur in einem passenden Umfeld. Sie brauchen stimmige Beziehungskonstellationen, um sich zu entfalten. Und sie realisieren sich erst zum rechten Zeitpunkt. Erst wenn wir bereit sind, sind es die Dinge auch (Shakespeare).

Manchmal verändert sich unser Leben, indem wir wählen – oder wechseln. Uns auf einen Menschen einlassen – oder uns von jemandem verabschieden. In eine fremde Stadt ziehen und neue Möglichkeiten gewinnen. Uns für ein Umfeld entscheiden, indem wir nicht nur unsere Fähigkeiten einbringen, sondern sich auch unsere Potenzial entfalten können. In einem anderen Unternehmen neu anfangen. Wie der Pinguin können wir nur unser Bestes geben, wenn wir in unserem Element sind.

Ich habe lange gebraucht, um zu akzeptieren, dass ich bestimmte Rahmenbedingungen brauche, um mich ganz geben zu können. Meine persönliche ‚Unabhängigkeitserklärung‘ (Ich mache mich niemals von jemandem abhängig!) verhinderte die Einsicht, dass diese ‚Unabhängigkeit‘ eine Form der Unverbundenheit ist. Und das Resonanz völlig normal und natürlich ist. Schließlich ist alles miteinander verbunden – und wir mittendrin.

Inzwischen achte ich genauer auf meine sensorische Körperwahrnehmung. Ich habe ein Gefühl dafür entwickelt, wie sich mein eigenes Energiefeld in Resonanz auf die Umgebung verändert. Und ich habe meine eigenen Bedürfnisse schätzen gelernt – sie helfen mir immer wieder folgende Fragen zu beantworten:

  • Welche Menschen unterstützen mich in meinen Möglichkeiten?
  • Welche Beziehungen reduzieren meine Energie?
  • Wann fühle ich mich zuhause?
  • Und wo gehöre ich einfach nicht hin?

Damit habe ich einen guten Kompass in der Hand, um mein Element zu entdecken und immer wieder auszusuchen. Wie machen Sie das?

 

Wer nicht denken will, fliegt raus

Dieser Satz von Joseph Beuys (1977) ist bis heute brisant und aktuell. Joseph Beuys hat für mich auf beeindruckende Weise Denken, Kunst und politisches Handeln miteinander verbunden. Für ihn war das Denken eine plastische Skulptur, ein Kunst-Werk, eine Tat. Ich liebe dieses Zitat auf einer Postkarte von ihm. Präziser kann man die Folgen unserer Gedankenlosigkeit nicht beschreiben: Wer nicht selber denkt, fliegt aus seiner eigenen Umlaufbahn heraus.

Unsere Fähigkeit zu denken und die Wirkung unserer Gedanken werden in der Regel massiv unterschätzt. Da das Machen und Funktionieren bei uns so hoch im Kurs steht, bleibt für das Nachdenken, Vordenken, Querdenken, Bedenken nicht viel Zeit.

Doch selbstgemachte Gedanken haben ihre ganz eigene Schönheit.
Es wird Zeit für unsere 7 Gedanken zum Denken:

(1) Denken heißt bewusst sein

Die Art wie wir denken, und die Dinge über die wir nachdenken, hängen vom Entwicklungsstand unseres Bewusstseins ab. Das wissen alle, die die Möglichkeiten unseres Geistes erforschen – übrigens schon seit Jahrtausenden. Bewusstsein entwickelt sich – individuell und kollektiv – in Stufen, Phasen und Epochen.

Die Qualität unseres Bewusstseins spiegelt sich nicht nur in unserem Denken, sondern auch im Fühlen und Handeln, in unseren Werten und Bedürfnissen wider. Sie bewirkt unterschiedliche Einstellungen gegenüber Lebewesen, Natur, Ernährung, Geld, Gesundheit, Liebe. Sie zeigt sich im Umgang mit den Geschlechtern, Kulturen, Religionen und in unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen. Es führt auch zu anderen Paradigmen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Psychologie.

Don Beck und Chris Cowan haben mit Spiral Dynamics eine großartige Landkarte für dieses Entwicklungspotenzial unseres Bewusstsein entwickelt. Bei Senja Hofert findet sich eine sehr gute Beschreibung dieses Modells.

(2) Selber denken braucht Zeit

Freiheit, Mündigkeit und auch Gelassenheit beginnen immer mit Selberdenken und Selbst-Reflektion. Doch Introspektion ist nicht selbstverständlich. Es ist so verführerisch, einfach drauf los zu handeln – ohne lange nachzudenken. Es ist so viel leichter, den eigenen inneren Antreibern zu folgen, berufliche Anforderungen zu erfüllen und sich in Beziehungen anzupassen – anstatt sich eigene Gedanken zu machen.

Selberdenken braucht Zeit und ein bestimmtes atmosphärisches Feld. Manchmal auch den richtigen Dialogpartner – oder Stille, Natur, Musik, Kunst oder Kultur. Jeder von uns kennt andere Brücken zum Selbst. Wie stabil sie sich erweisen, und wie gut sie gepflegt sind, hängt davon ab, wie regelmäßig wir sie nutzen.

(3) Die eigenen Bedürfnisse bedenken

Wer nicht selber denkt, kann auch kein Gespür für seine Bedürfnisse entwickeln. Dafür ist das bewusste Wahrnehmen der eigenen Körperempfindungen wichtig. Wenn unsere eigene Körper-Intuition nicht aktiviert ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns am gesellschaftlich erzeugten Bedarf auszurichten.

Mangels eines bewussten inneren Korrektivs orientieren wir uns dann an den Bedürfnissen der Wirtschaft, der Religion, der Wissenschaft, der Unternehmen. Oder an denen unserer Arbeitgeber, Beziehungspartner oder Kollegen.

In ihrem Buch Die Diktatur der Dummen beschreibt Prof. Dr. Brigitte Witzer sehr deutlich, was passiert, wenn die Klügeren nachgeben und das Selberdenken auf der Strecke bleibt. Wenn wir uns nicht die Mühe machen, unsere eigenen Bedürfnisse zu erforschen, legen wir unsere Fähigkeit zur Selbstführung (Innensteuerung) in die Hände der Anderen (Außensteuerung).

(4) Denken entspringt im Körper

Denken ist untrennbar mit dem Körper verbunden. In der Kognitionsforschung spricht man inzwischen von ‚embodied cognition‘. Gerald Hüther und Maja Storch nennen es Embodiment. Neuste Forschungen zeigen, dass sensorische Körperwahrnehmungen unser Denken und Handeln unmittelbar beeinflussen – wenn auch meist unbewusst. Gleichzeitig werden durch unsere Gedanken emotionale und physische Empfindungen im Körper aktiviert. Denken, Fühlen und Körper sind also untrennbar verbunden.

Ich kann mich noch gut an meine großen Pilgerwanderungen erinnern – nach Santiago de Compostela (zum 40. Geburtstag) und um den Kailash in Tibet (zum 50. Geburtstag). Pilgern, d.h., die eigene Selbst-Erforschung mit der körperlichen Bewegung zu verbinden. Ich habe erlebt, dass mein Denken sich verändert, wenn ich in Bewegung bin. Durch das rhythmische Gehen entstanden Gedanken, die unmittelbar aus meinem Körper zu kommen schienen. Dieses Körper-Denken unterscheidet sich sehr vom mentalen Kopf-Denken. Es ist irgendwie ganzheitlicher, näher an der Natur und an meiner eigenen Intuition. Es hat sowohl Wurzeln als auch Flügel. So wird Denken zum Gebet des Körpers…

(5) Gedanken brauchen Führung

Wenn wir das Denken nicht in die eigene Hand nehmen, dann beginnen unsere Gedanken uns zu denken. Von der Kognitiven Psychologie wissen wir, dass negative Gedanken – maßlos genossen – zu Depressionen führen. Der wachsende Einsatz von Schlafmitteln und Anti-Depressiva wird dann zur medizinischen Folge unserer ungezügelten Gedanken.

Doch Gedanken lassen sich steuern. Das braucht allerdings Gedanken-Disziplin, Übung und erstaunlicherweise auch eine Form des Körpertrainings. Wir müssen lernen, die eigenen Gedanken zu lenken, zu stoppen, zu wählen und zu beenden. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Gedanken bestehen aus Energie und manchmal ist es mit ihnen, als würden wir versuchen ein Wildpferd zu zügeln. Erst wenn wir  lernen, unsere Gedanken zu zähmen und uns mit ihnen anzufreunden, lassen sie sich von uns führen – statt mit uns davon zu galoppieren.

(6) Gedankenfreie Zonen sind der Weg in den Körper

Die eigentliche Wirkkraft von Bewusstsein entsteht jedoch aus den gedankenfreien Zonen zwischen den Gedanken. Durch Meditation und Achtsamkeitsübungen können wir wahrnehmen, dass Gedanken einen Anfang und ein Ende haben. Dieser Zwischenraum zwischen den Gedanken hütet ein Geheimnis – er ist eine Quelle der Kreativität.

Am Anfang öffnet sich dieser Raum nur für Augenblicke. Wir spüren, wie Bewusstsein wirkt, wenn es nicht durch Gedanken begrenzt wird. Mit der Zeit beginnt sich dieser Raum auszudehnen. Schließlich sind wir mehr im Raum zuhause, als in unseren Gedanken.

Dieser Zwischenraum zwischen den Gedanken ist der Weg in den Körper. Wer vom Denken ins Spüren will, vom Kopf in den Körper, der braucht gedankenfreien Zwischenräume. Sie sind so etwas wie eine Rutsche in unser Körperbewusstsein.

Prof. Dr. Wendelin Küpers beschreibt in seinem Artikel Klug nichts tun wie unsere Gegenwart durch Achtsamkeit und Aufmerksamkeit sinnlich und sinnvoll erlebbar wird. So kann verkörperte Weisheit entstehen und engagierte Gelassenheit. Das praktische Handeln, dass sich daraus ableitet, entsteht dann eher aus ‚Muße‘ als aus ‚Müssen‘.

(7) Denken beginnt mit Fragen

Wer sein eigenes Bewusstsein und sein persönliches Denken bewusst lenken möchte, landet irgendwann bei der Kunst des Fragens. Fragen können unsere Sichtweisen verändern, neue Blickrichtungen im Denken eröffnen, Bewusstsein ins Dunkel unserer Gewohnheiten bringen und Zukunftsräume ermöglichen.

Solange ich denken kann, haben mich Fragen fasziniert. Schon als Kind konnte ich körperlich spüren, wie Fragen Gefühle auslösen und Denkrichtung enttarnen und initiieren. Ich war neugierig und ich habe dieses Um-die-Ecke-Denken geliebt. Doch die erste Antwort auf jede meiner Fragen waren die Blicke der Anderen: erstaunt, verwirrt, genervt, überrascht, schamvoll, amüsiert… Und dennoch haben mich – damals wie heute – gerade die Fragen am meisten bewegt, auf die niemand eine schnelle Antwort hatte. Fragen, zu denen ich mich strecken musste. Die mich an die Grenzen des bisher Gedachten führten – und darüber hinaus.