Mit Krisen scheint es uns so ähnlich zu gehen, wie mit traumatischen Erfahrungen. Noch vor einigen Jahren konnte man dieses Wort nicht benutzen, ohne mit psychischen Exzentrikern in einer Schublade zu landen. Inzwischen ist Trauma zu einem wertvollen Wort geworden. Es hilft uns zu verstehen, wie es Kindern geht, die im Krieg aufgewachsen sind… Wie es Menschen nach dem Tsunamie erging… Wie Eltern und Lehrer mit einem Amoklauf leben… Und wie Soldaten nach einem Kriegseinsatz weiterleben…
Inzwischen ist auch die Krise gesellschaftsfähig geworden. Und fast jeder kann sie mit persönlichen Erfahrung aus seinem eigenen Leben verbinden. Wir erleben mehr und mehr, dass Krisen uns die Möglichkeit schenken, neue Chancen zu entdecken – oder aber im Selbstmitleid zu verschwinden.
In Wachstumsphasen geht es um Ausdehnung innerhalb eines Entwicklungs-Fensters (das Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg oder die Internetblase am Ende des letzten Jahrhunderts). In den Zeiten der Reformation kommt es dann zu notwendigen Korrekturen innerhalb dieses Prozesses. Erst wenn auf dieser Ebene alle Chancen ausgereizt sind, wird ein transformatorischer Sprung notwendig – und möglich.
Transformation ist immer mit der Verankerung neuer Werten verbunden. Damit wir sie entdecken können, braucht es im Übergang krisenhafte Erfahrungen. Durch sie lösen sich bestehenden Strukturen auf und wir hängen einfach für eine Weile in der Luft – und damit mitten in unseren Gefühlen. Im Übergang ist unsere Zukunft ungewiss – sowohl emotional wie auch existenziell.
In Krisenzeiten ist es am Besten, in das zu investieren, was bleibt – Bildung und Bindung. Eckhart von Hirschhausen hat das in der Talkshow von Johannes B. Kerner deutlich ausgedrückt. In Zeiten der Transformation trägt uns, was uns im Grunde prägt – und verändert.
Ich erlebe gerade selber, wie wichtig mir Beziehungen sind, die über viele Jahre gewachsen sind. In ihnen finde ich Kontinuität und ein solides Fundament – mitten im Taumel der Veränderung. Nichts schenkt mir so viel Sicherheit, wie die Entwicklung meiner Persönlichkeit – und die Bindung zu den Menschen, bei denen ich mich beheimatet fühle.