Tibet 1: Das Geschenk der Angst

4 Wochen im Himalaja: Der Termin stand fest, die Flüge waren lange im Voraus gebucht und in regelmäßigen Abständen bekam ich von Wulf alle wichtigen Informationen für unsere Pilgerreise.

Für mich begann die Reise bereits 3 Monate vor dem Abflug – nämlich mit meinen Sorgen, Ängsten und Unsicherheiten. Wie kann man sich auf das Unbekannte vorbereiten? Was nimmt man mit, wenn man nicht weiß wo man hingeht? Was brauchen wir, um uns im Unvorhersehbaren vertrauen zu können?

Ich wusste, dass ich in eine mir fremde Welt ziehe. Der Umgang mit einer anderen Kultur war mir durch andere Reisen vertraut, aber ich hatte keine Erfahrungen vom Leben und Bewegen in der Höhe. Ich bin völlig neuen Ängsten begegnet… Der Angst zu vertrocknen… der Angst vor der Kälte… die Angst zu ersticken…

Ich habe mit Menschen gesprochen, die bereits vor mir dort oben waren. Viele von ihnen haben mir etwas aus ihrem Erfahrungsschatz mit auf den Weg gegeben: einen Schlafsack, eine Daunenjacke, genau die richtige Fußcreme… Eine Erkenntnis, eine Warnung, eine Empfehlung, eine Inspiration, die sie getragen hat…

Bereits 4 Wochen vor der Abreise war ich umgeben von Bergen – nämlich den Bergen der Dinge, die ich mitnehmen wollte. Sie bildeten Vorbereitungs-Berge in meinem Zimmer, die immer wieder überprüft, ergänzt und umgeschichtet wurden. Am Ende konnte ich ein Drittel davon wirklich mitnehmen – ich musste mich entscheiden und wählen.

Das Geschenk der Angst ist für mich eine gute Vorbereitung. Es gibt keine Sicherheit, die wir einpacken können. Doch durch den respektvollen Umgang mit meiner Angst konnte ich schließlich ganz vertrauen – mir selbst und denen, die führen.

Am Ende hatte ich alles, was ich brauchte… Und innerhalb unserer kleinen Gruppe von Reisenden hatte jeder etwas dabei, was nicht er – sondern ein anderer brauchte.

Tibet – Meine Reise auf das Dach der Welt

Vor einigen Tagen lief im Phönix-Kanal ein Programmabend über Tibet. Beim Zappen lande ich unvermittelt auf dem Dach der Welt. Und plötzlich bin ich wieder dort – auf meiner Pilgerreise durch Nepal und Tibet und um den Kailash. Irgendwie habe ich erst im Eintauchen in die vertraute Bilder und Geschichten realisiert: Ich war tatsächlich dort oben! Auf einmal trifft mich der Wert dieser Erfahrung mit Wucht.

Ich habe selber in dieser Landschaft gestanden und mich durch sie bewegt. Ich bin wirklich den Menschen dort begegnet, habe die alten Klöster besichtigt und auf einsamen windigen Bergpässen gestanden. Ich war im Potala, dem ehemaligen Regierungssitz des Dalai Lama. Ich habe den neuen Bahnhof von Lhasa gesehen, der Endstation der Tibetbahn – seit diesem Jahr der höchsten Eisenbahn der Welt. Ich habe in einem Nomadenzelt gesessen und dankbar den Schutz vor dem Wind und den salzigen Buttertee genossen. Ich war dem Himmel so nah wie noch nie… Ich war in den höchsten Bergen der Welt…

 

 

Bereits vor 8 Jahren habe ich mich für diese Pilgerreise entscheiden. Damals bin ich den Jakobsweg nach Santiago de Compostela gegangen. Ich war tief bewegt von den zahllosen Schätzen, die ich von diesem Weg mit nach Hause gebracht habe. Am Ende dieser Reise wusste ich, dass ich vor meinem 50. Geburtstag noch einmal pilgern wollte – und zwar im Himalaja, um den Heiligen Berg Kailash herum.

Ich wusste, dass ich für diesen Weg jemandem brauchte, der sich dort oben auskennt und dem ich vorbehaltlos vertrauen kann. Wulf – mein Freund der Berge, den ich damals um Führung bat, wollte zum damaligen Zeitpunkt noch nicht nach Tibet reisen würde. Vor 8 Jahren war die militärisch-feindselige Energie der Chinesen um den Heiligen Berg noch massiv. Wir haben gewartet bis sich Energien gewandelt haben – das tun sie schließlich immer… Im Herbst 2006 kommt schließlich der lang ersehnte Anruf von ihm: im Mai 2007 geht es los.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich meine Erfahrungen von da oben zu Worten machen konnte… Jetzt möchte ich sie gerne in den nächsten 10 Tagen mit euch teilen.

Erst rückblickend bekommt unsere Geschichte ihren Sinn – wenn wir ihn ihr verleihen.

Beziehungen im 21. Jahrhundert

Kriege traumatisieren bis in die 3. Generation, denn sie verändern den Umgang mit unseren Gefühlen. So hat die Geschichte des 19. Jhd. große Auswirkungen darauf, wie wir heute Beziehungen leben. Wir leben in einer Zeit, in der Veränderung überall und ständig geschieht. Wer sich mit dem Strom der Zeit bewegen möchte, muss beweglich werden. Jedes Paar steht heute vor der Aufgabe, gemeinsam einen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Wer in diesen Zeiten beziehungsfähig werden möchte, braucht einen neuen Umgang mit den Gefühlen. Diesen Vortrag habe ich im März in Kiel gehalten. Er ist in ganzer Länge zu hören.

Buchtipp: Wir nennen es Arbeit

Dieses Buch von Holm Friebe + Sascha Lobo über die digitale Bohème habe ich verschlungen. Es hat mich dorthin geführt, wo die Zukunft bereits heute beginnt – ermöglicht durch die sich rasant entwickelnden Internet-Technologien und realisiert durch Menschen, die sie ausprobieren und nutzen.

Ein gutes Interview mit den Autoren findet sich beim Elektrischen Reporter des Handelsblatts.

Es ist ein intelligentes Buch – voller historischer Bezüge, Anekdoten und Hintergrundinformationen. So praktisch und anschaulich beschrieben, dass es mir schwer viel, es zwischendurch aus den Händen zu legen. Für mich war es pure Inspiration, wie die Autoren die Möglichkeiten des Internets und seine Auswirkungen für eine sich wandelnde Gesellschaft beschreiben.

Ich habe Lust bekommen, im Netz noch mehr auszuprobieren… Und ich habe wieder angefangen, mich auf unsere gemeinsame Zukunft zu freuen. Das hat schon lange kein Buch mehr geschafft.

Hikikomori

Apropos Angst:
Leistungsdruck entsteht immer dort, wo Angst zu Anspruch geworden ist.

So verschwinden weltweit immer mehr Jugendliche aus Gesellschaften, in denen Konventionen wichtiger sind als Stärkung und Individualität. Aus Angst wählen sie die Isolation. Sie ziehen sich zurück und verlassen oft monatelang nicht mehr ihr Kinderzimmer.

In Japan nennt man sie Hikikomori – die Zurückgezogenen, in Deutschland ist diese wachsende Zahl von verschwindenden Jugendlichen bisher noch namenlos…

Wie sehr diese Heranwachsenden Unsicherheit als Möglichkeit begreifen können, wird auch von dem Vertrauen abhängen, das wir ihnen in diesem Jahr schenken… Und von unserem Mut, sie auf Wegen zu fördern, die wir erst mit ihnen lernen werden.