Nadine Teichgräber wurde mit Ende 20 Geschäftsführerin einer Kaufhof-Filiale in Köln. Ich war einen Tag lang an ihrer Seite unterwegs. Ich wollte den Alltag einer Führungskraft in einem Kaufhaus hautnah erleben… Und mich hat interessiert, was jungen Führungskräfte heute erfolgreich macht…
Es war ein sehr spannender Tag – voll mit inspirierenden Erfahrungen. In einem abschließenden Interview mit mir hat Nadine Teichgräber darüber gesprochen, wie ihre Kindheit in der DDR sie mit einem Selbst-Bewusstsein ausgestattet hat, dass sie zu einer gute Führungskraft hat werden lassen.
Selbst + Welt
Leichtigkeit entsteht durch Üben
Wir machen eine Radtour durch die Stadt. Im Düsseldorfer Hafen sehen wir auf einmal ein Auto, das über dem Hafenbecken an einem Kran aufgehängt ist. Verdutzt halten wir an – und stehen am Set für Dreharbeiten zu der Serie Alarm für Cobra 11. Gerade wird alles dafür vorbereitet, um ein zweites Auto mit einer Explosion ins Hafenbecken fliegen zu lassen.
Wir sind neugierig und dürfen dem Filmteam bei ihrer Arbeit zuschauen… Wir lernen die Frau vom Fan-Club kennen, die Fotos macht. Und den Mann, dessen Firma den Kran vermietet hat. Einen Pyrotechniker und zwei Feuerwehrmänner, die zur Sicherheit da sind.
Ich staune. Wie viele Profis aus unterschiedlichen Fachgebieten bei so einem Stunt mitarbeiten… Wie viel Mühe, Kompetenz, Teamarbeit hinter den Kulissen notwendig ist, um eine Filmsequenz von vielleicht 10 Sekunden zu erstellen… Und wie diese Symphonie der Zusammenarbeit koordiniert wird… Alles, was leicht aussieht, ist wohl immer eine Folge von viel Übung.
Was begeistert Sie so sehr, dass Sie es gerne Tag für Tag üben?
Tibet 10: Ich komme aus dem Flussland
Am nächsten Morgen werde ich mit der Erkenntnis wach: Ich gehöre hier oben nicht hin. Ich komme aus dem Flussland…
Darin liegt keine Unzufriedenheit, kein Hader, keine Klage. Es ist ganz einfach eine Einsicht in den Sinn meines eigenen Lebens.
So langsam wächst in mir der Stolz auf das Erbe meiner Vorfahren. Unsere deutsche Geschichte hat uns dazu gezwungen, uns mit der Schuld der Täterschaft auseinanderzusetzen…
Wir haben ein nahezu perfektes Programm zur Auslöschung des Fremden entwickelt… Der Genozid scheint zu einer Phase der Menschheitsentwick-
lung dazu zu gehören. Wir finden ihn überall: in den USA (Indianer), in Australien (Aboriginis), in Europa (Juden), in Asien (z.B. Tibeter)… Mitmenschlichkeit wächst aus unserem Schatten. Erst die eigenen dunklen Seiten lehren uns das Mitgefühl mit den Anderen.
Es gibt nicht viele Völker auf dieser Erde, die ihre eigene Schatten-Geschichte so eingestehen mussten wie wir. So ist aus einer faschistischen Haltung eine kooperative geworden, aus Ausgrenzung das Bemühen um Integration. Aus Kontrolle wird Herzkraft, aus Funktion wird Authentizität. Auch wenn wir noch nicht angekommen sind – wir sind auf dem Weg – langsam, Schritt für Schritt.
Zu Hause angekommen, habe ich zunächst das Gefühl, viel zu langsam für meinen Alltag zu sein… Auch wenn ich inzwischen wieder ganz gelandet bin, etwas ist ‚anders’ geblieben: Ein innerer Abstand zu den Dingen der Welt… Ein gelassener Blick – vom Dach der Welt – auf die Konflikte des Lebens… Ein tiefes Wissen darum, dass jede Erfahrung, die wir machen, ihre Wurzeln in unserer Geschichte hat – sowohl persönlich als auch historisch.
Es gibt immer eine Archäologie des Augenblicks. Und ich erkenne meinen Platz in der Geschichte.
Danke, dass ihr 10 Tage mit mir gegangen seit…
Tibet 9: Der Teppichkauf
Von Lhasa führt unsere Reise zurück nach Kathmandu. Vor unserem Abflug haben wir 3 Tage, um Kathmundu zu erkunden, das beste Hotel der Stadt zu genießen und natürlich – zu shoppen. Carola weiß was sie will – einen Seidenteppich. Wulf gibt uns noch eine Einführung in die Kunst des nepalesischen Handelns – und dann machen wir beide uns auf den Weg in die Altstadt von Kathmandu.
Wir landen in einem Geschäft, das bis unter die Decke mit Teppichen voll ist. Wir werden vom Besitzer über schmale Stiegen bis hinauf ins 3. Stock geführt und lassen uns dort auf einem Berg von Teppichen nieder. Er beginnt ein Gespräch – über den Kailash, über Nepal, über die Kunst des Teppichknüpfens… Währenddessen beginnt sein Partner vor uns Teppiche auszubreiten und herauszufinden, was wir mögen und was uns nicht gefällt. Bald hat er ein sicheres Gefühl für unsere Vorlieben. Jeder Teppich, den wir nun zu sehen bekommen, ist wunderbar – ein Genuss für Augen, Füße und Hände…
Und plötzlich verschwindet für mich die Zeit… Ich bin vollkommen eingetaucht in die Welt eines Teppichhandels… Ich genieße jeden Augenblick. Kaufen und Verkaufen sind eine Form der Begegnung. Der Handeln um den Preis ist die Grundlage für den Beziehungstanz zwischen Händler und Käufer.
Eine Stunde später haben wir einen Teppich gekauft und alle sind glücklich. Als der Teppichverkäufer den Handel mit einem Handschlag besiegelt, sagt er: ‚Das war ein gutes Geschäft, denn wir teilen unsere Freude‘. Er erzählt davon, wie oft er Teppiche an Ausländer verkauft, die zwar den Preis herunterhandeln wollen, aber ihr Glück nicht kennen. Am Ende haben sie ein Schnäppchen gemacht, sind aber nicht glücklicher als vorher. Dann hat niemand eine gutes Geschäft gemacht.
Plötzlich fällt mir auf, wie oft wir etwas kaufen und verkaufen ohne das wir darüber glücklich sind… wie oft wir uns bei einem Handel am Ende doch übers Ohr gehauen fühlen… Unter einem sogenannten ‚guten Geschäft‘ wird in Deutschland oftmals verstanden, dass der Andere der Dumme ist. Mit dem Teilen von Freude hat das nichts zu tun..
An diesem Nachmittag habe ich gelernt:
Jedes gute Geschäft beinhaltet das Gleichgewicht von Geben und Nehmen.
Und ein gutes Geschäft erkennt man daran, dass wir gemeinsam unsere Freude teilen.
Tibet 8: Der Segen der Täter
Der ehemalige Regierungssitz des Dalai Lama in Tibet war der Potala-Palast – eine Mischung aus Kloster, Tempel und eben – Palast. Er ist an der höchsten Stelle von Lhasa über 13 Ebenen auf einen Berg gebaut.
Die tibetischen Tempel und Klöster haben die Eigenart, so gut wie keine Fenster zu besitzen – sie werden fast ausschließlich von Butterkerzen beleuchtet. In ihnen ist es immer dunkel. In einem Land, in dem viele Menschen nicht lesen konnten, wurden Tradition und Vision über Bilder vermittelt – alle Wände sind daher mit Tangkas und Mandalas in kräftigen Farben bemalt, die allerdings im Dunkeln nur schwer zu erkennen sind. Obwohl wir über 4000 m hoch sind, fühle ich mich, als wäre ich in eine Jahrtausende alte Gruft, tief unter der Erde hinabgestiegen.
Nach einer Stunde im Potala habe ich das Gefühl, an der Geschichte und ihren Geschichten zu ersticken. Ich will nur noch raus. Wo sich Tradition und Religion der Welt verschließen, gibt es keine Entwicklung, keine Quantensprünge. Die Zukunft verschwindet. Ich kann körperlich spüren, was es für den Dalai Lama bedeutet haben muss, 20 Jahre seines Lebens nahezu ausschließlich in diesem Palast gelebt zu haben… Und ich kann auf einmal verstehen, warum er sich in Interviews als ehemaligen Gefangenen des Potala bezeichnet hat…
Als wir schließlich wieder unter der Weite des tibetischen Himmels stehen, stelle ich fest: Wäre ich der Dalai Lama – ich würde den Chinesen jeden Morgen auf Knien danken, dass sie mich in die Welt getrieben haben…
Plötzlich kann ich den Verlauf der Geschichte aus einer anderen Sichtweise sehen: Die Tibeter haben bis zum Einmarsch der Chinesen eine Politik der Abschottung betrieben. Sie hatten kein Interesse am Austausch mit Andersartigkeit, am Teilen ihrer Erfahrungen. Ohne die Annektierung der Chinesen, würden wir den tibetischen Buddhismus nicht kennen. Ohne sie wäre der 14. Dalai Lama wohl eine unbekannte regionale Größe geblieben.
Alles was den jetzigen Dalai Lama auszeichnet, wäre ohne die Chinesen nicht wirksam geworden: Seine Offenheit für andere Sichtweisen… Seine Fähigkeit, Buddhismus und westliche Wissenschaft in einen Dialog zu bringen… Sein Mut, die große globale Politik immer wieder an den Weg des Mitgefühls zu erinnern…
Hätten die Chinesen sich nicht als Täter zur Verfügung gestellt hätten, wäre all das nicht in die Welt gekommen.
Es gibt wohl einen Segen der Täter…