Mut wächst mit dem Teilen

Heute ist einer dieser Tage: traurig, konfus, orientierungslos. Dann habe ich dieses Video mit NENA gesehen – und der Himmel ging auf.

Sie sprüht vor Kraft und Lebensfreude. Ihre Lebendigkeit steckt an, bringt mich zum Lachen, weckt mich auf. Alles, was sie hier sagt – und wie sie es sagt, wirkt für mich wie eine Ermutigungs-Medizin.

Danke fürs Teilen, NENA. You made my day!

NENA | OLDSCHOOL | Hinter den Kulissen

Jede Bewegung beginnt mit einer Begegnung

Jetzt habe ich das Video schon so oft angesehen… Und jedes Mal staune ich über die Bewegungen, die durch einen einzigen Anstoß in uns möglich werden – und über die Kraft der Anziehung.

Wenn wir bereit sind, uns wirklich zu begegnen, ist alles möglich (Ralf Vorschel).

Ich übe mich gerade darin, in jeder Beziehung genau hinzuhören. Doch das ist oftmals leichter gesagt als getan… Es braucht die Bereitschaft, mich wieder verletzlich zu machen – und natürlich den Abschied von alten Bewertungen.

Die Erfahrung, die ich damit mache: Wenn ich den Anregungen folge, die mir Menschen mitbringen, führt mich das Leben zu Chancen ausserhalb meiner Vortstellung – und zu Begegnungen voller Lebendigkeit

Danke für die Inspiration. Verletzlichkeit lohnt sich.

Magnets and Marbles !

Selbstwert wächst durch Resonanz

Wir Menschen sind Beziehungswesen – unsere Neuronen verknüpfen sich im Gehirn erst nach und nach zu unserer Identität. Und zwar durch die Art und Weise, wie die Menschen, die wir lieben, unsere Energie berühren und beeindrucken, auf sie antworten und sie bewegen. Unser Selbstgefühl können wir uns nicht selber geben, es wurzelt in dem, was wir für die anderen sind.

Ich habe in meinem Leben immer wieder erlebt, dass aus liebevollen Beziehungen (geteilte Gefühle) Selbstwert und Vertauen wächst, und aus lieblosen Beziehungen (abgewehrte Gefühle) Selbstzweifel und Unsicherheit entsteht. Beides hinterlässt Spuren in meiner Identität.

Selbstvertrauen braucht Freude

Auf der Körperebene entsteht Selbstvertrauen durch geteilte Freude. Dr. Werner van Haren spricht in diesem Zusammenhang von erlebten Freudezirkel zwischen Mutter und Kind, die während der Schwangerschaft beginnen, und sich im besten Fall in vielfältigen freudvollen Begegnungen in der Familie und im Leben fortsetzen. So wandelt sich der Glanz in den Augen der anderen schließlich in unseren eigenen Wert.

Für Hartmut Rosa ist die Erfahrung von Resonanz die Basis unseres In-der-Welt-Seins (1). Für ihn bedeutet Resonanz nicht Bestätigung, sie ist kein einfaches Echo – eher eine Antwort. Wir brauchen die Erfahrung, dass Menschen uns antwortet und mit uns in Beziehung treten. Diese Antworten können sowohl positiv als auch negativ sein. Auch Reibung ist eine sehr kostbare Form der zwischenmenschlichen Verbundenheit.

Tiefe Resonanzerfahrungen beinhalten immer einen Moment der Transformation: Sie gehen uns unter die Haut, sie verwandeln uns. Wir kommen anders aus ihnen hervor, als wir reingegangen sind. Wenn wir uns nach einem schwierigen Gespräch mit einem Mitarbeiter erleichtert fühlen, dann weil wir uns – mitten in unterschiedlicher Sichtweisen – begegnet sind. Wir haben einander gehört, gefühlt, berührt – uns angesprochen.

Die Löcher im Wert

Das Fundament für unser Selbstbewusstsein bildet sich durch die frühen Resonanzerfahrungen in unserer Kindheit (2), doch wir sind weitaus mehr als das, was auf diese Weise in unser Selbstbild eingeschrieben wurde. Teile unserer Wesensenergie bleiben – auch in den liebevollsten Familien – unangetastet.

Ali Hameed Almaas spricht hier von den Löcher in unserem Wert (3). Das ist ein gutes Bild für das, was wir erleben: Plötzlich fallen wir in ein Loch. Alles, was andere über uns sagen, stößt hier auf Taubheit, und wird mit Abwertung und Rationalisierungen zurückgewiesen. Gar nicht in böser Absicht – hier fehlen uns oft einfach die Rezeptoren zum Nehmen (4).

Unsere Gesellschaft macht es uns leicht, diese Löcher – zumindest für eine Weile – mit Ersatz zu füllen. Dann wird Freude durch Konsum ersetzt, und Wert durch Leistung. Wir können diese Löcher auch mit der Energie anderen Menschen stopfen. Dann vereinnahmen wir ihre Ideen, Gedanken, Gefühle und machen sie uns zu eigen. Doch glücklich werden wir damit nicht. Zugehörigkeit gibt es nicht, solange wir andere benutzen, statt uns von ihnen berühren zu lassen.

Eine Tür ins Lebendige

Im Schatten unseres Selbstbewusstseins liegen unberührte Landschaften. Wir erleben sie als subtiles Gefühl von Fremdsein – mitten unter Menschen. Oder als gefühlte Taubheit mit uns selber – so als wäre wir nicht ganz da. Wir erleben sie als Nichts, als Niemandsland, als Selbstzweifel, als Scham – und erleiden im Kontakt mit anderen unsere eigene Abwesenheit.

Für mich sind diese Löcher im Selbstwert inzwischen sehr wertvoll. Sie sind Türen ins Lebendige, die sich öffnen, wenn sie Wohlwollen und Resonanz erleben. Hinter ihnen schlummern unberührte Aspekte meiner eigenen Energie. Jedesmal wenn ich den Stolz und die Gleichgültigkeit aufgeben, und mich dort von jemandem berühren lasse, öffnet sich die Tür – und das gefühlte Nichts erwacht zum Leben (5). Das zwingt mich manchmal in die Knie – und von dort sieht vieles anders aus. Alte Selbstbilder purzeln vom Thron, dafür zieht Menschlichkeit ein.

Eins steht auf jeden Fall fest: Der Wunsch ganz zu werden beginnt mit der Bereitschaft lebendig zu sein, und meine eigene Verletzlichkeit zu teilen (6).

Wenn ich mich berührbar mache, wandeln sich Leere in Offenheit. Mitten zwischen lauten Gedanken breitet sich Stille aus, und ich spüre den Herzschlag des Lebens. Pur, einfach, unverstellt.
So wächst ein Selbstwert, der mich trägt. Und Werte, die mich führen…

Literatur
(1) Hartmut Rosa (2016), Resonanz. Einen Soziologie der Weltbeziehung
(2) Katharina Ohana (2010), Gestatten Ich. Die Entdeckung des Selbstbewusstseins
(3) Ali Hameed Almaas (1998), Essenzielle Verwirklichkeit
(4) Christiane Windhausen, Birgit-Rita Reifferscheidt (2012), Das flüssige Ich. Führung beginnt mit Selbstführung
(5) Brene Brown (2012), Die Gaben der Unvollkommenheit: Leben aus vollem Herzen
(6) Brene Brown (2013), Verletzlichkeit macht stark. Wie wir unsere Schutzmechanismen aufgeben und innerlich reich werden

Das Grundgesetz – eine Einladung zur Vielfalt

Ich habe gerade das Grundgesetz neu entdeckt. Und ich staune nicht schlecht: Es hat seit 23.5.1949 nichts von seiner Würde und Mitmenschlichkeit verloren.

Wir haben in unserer deutschen Geschichte die Würde des Menschen mit Füssen getreten – so wie es nur wenige Völker getan haben. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes beginnen daher mit Grundrechten (Artikel 1-19), die für alle Menschen gelten – ganz gleich welcher Religionen sie angehören, wo sie oder ihre Eltern geboren wurden, welche Haut- oder Augenfarbe sie haben.

Es ist gut, wenn das Grundgesetz Gesichter bekommt… Die Autoren dieses Videos haben es sich auf die Stirn geschrieben, auf die Arme, die Hände, den Hals, den Rücken… Und auf einmal hat unsere Verfassung Hand und Fuss – und eine Sprache, die unter die Haut geht.

Wir sind das Grundgesetz I Hauptclip

Nachdem ich das Video gesehen habe, habe ich noch einmal jeden Artikel der Grundrechte genau gelesen. Was für eine kraftvolle Verfassung wir haben… Hier wird Vielfalt bewusst eingeladen, und zum Fundament unseres gesellschaftlichen Miteinanders erklärt. Flüchtlinge sind willkommen, Unterschiede werden begrüßt und Widerstand ist erwünscht.

Wenn jemand daran gehindert wird, zu lieben oder zu leben wie er will, dann steht auf….

Das Grundgesetz ist eine Einladung zur Vielfalt.
Also – lasst uns unsere Rechte nutzen.

Heimat – Im Fremden Zuhause sein

Heute morgen habe ich den Beitrag von Fulbert Steffensky in NDR Kultur gehört: Heimat – ein Haus in der fremden Welt. Überlegungen eines Zugvogels. Sein Essay hat mich tief bewegt.

Die Orte meiner Kindheit waren für mich stets eine vorübergehende Heimat. So etwas wie eine Sprungbrett. Hinein in eine Heimat, die man wählt – sich selber wählen muß. Überall dort, wo man nur sich selbst kennt, leben wir aus dem Leben unserer Vorfahren – und Zukunft ist kaum möglich. Die Prägung der eigenen Familiengeschichte ist einfach zu groß, als dass wir in ihr als Original auftauchen könnten. Ich wußte irgendwie schon damals: Ins Eigenen kommen wir nur durch die Anderen.

Viele aus meiner Generation haben sich im Deutschland der 70ger, 80ger Jahren wie Fremde gefühlt. Viele Anliegen, Fragen, Forderungen, Reflexionen, die wichtig waren, um in unserer eigenen (schmerzlichen) Geschichte beheimatet sein zu können, wurden abgewehrt und bekämpft. Ihnen wurde nicht einmal Asyl gewährt (in Politik, Gesellschaft und Religion). Fremdsein – das war für uns damals die beste aller Heimaten.

 

Heimat war in Deutschland lange ein geschändetes Wort, voller düsterer Erinnerungen und Gefühle. Nun gewinnt dieses Wort eine neue Bedeutung – durch alle, die aus der Fremde kommen, um bei uns eine neue Heimat zu finden.

Man weiß erst, wer man ist, wenn man sich dem Schmerz der Fremdheit aussetzt. Man lernt den eigenen Reichtum erst kennen, wenn man sich mit fremden Lebensentwürfen und Religionen auseinandersetzen muß. Und man lernt den eigene Mangel erst kennen, wenn man auf den Reichtum des Fremden stößt. Wo man nur sich selber kennt, besteht die Gefahr, dass man sich für einzigartig hält. Man kann sich kaum hinterfragen, wenn man die Fremde und das Fremde nicht an sich ranläßt. Man bringt sich um die Freiheit zu wachsen und mehr zu werden als man ist, wenn man sich der Fremdheit der Anderen verweigert.

Mit den Jahren ist durch die Dankbarkeit für meine Wurzeln auch ein emotionales Gefühl für meine Geburtsheimat gewachsen. Heute ist für mich Dankbarkeit eine der wichtigsten Brücken in die Heimat.
Überall dort, wo Dankbarkeit zuhause ist, kann ich zuhause sein.