Anleitung für dieses Jahrtausend (Dalai Lama)

Bedenke, dass große Liebe und große Leistungen immer mit großem Risiko verbunden sind:

  1. Wenn du verlierst, dann verpasse nicht auch noch die Lektion.
  2. Manchmal kann das, was du nicht bekommst, eine wunderbare Fügung des Schicksals sein.
  3. Lass nicht zu, dass ein kleiner Streit einer großen Freundschaft Wunden zufügt.
  4. Wenn du erkennst, dass du einen Fehler gemacht hast, beginne umgehend, ihn zu korrigieren.
  5. Verbringe jeden Tag etwas Zeit mit dir selbst.
  6. Begegne Veränderungen mit offenen Armen, aber verliere dabei nicht deine Wertmaßstäbe.
  7. Denke daran, dass Schweigen manchmal die beste Antwort ist.
  8. Lebe ein gutes, ehrbares Leben. Wenn du dann älter wirst und zurückblickst, wirst du es ein zweites Mal genießen können.
  9. Eine liebevolle Atmosphäre in deinem Haus ist die beste Grundlage für dein Leben.
  10. Bei Meinungsverschiedenheiten mit deinen Lieben befasse dich nur mit der gegenwärtigen aktuelle Situation. Lass die Vergangenheit ruhen.
  11. Teile dein Wissen. Das ist ein Weg, Unsterblichkeit zu erlangen.
  12. Sei sanft und freundlich mit der Erde.
  13. Gehe einmal im Jahr an einen Ort, an dem du noch nie warst.
  14. Denke daran, die beste Beziehung ist jene, in der die Liebe für den Anderen größer ist, als das Verlangen nach dem Anderen.
  15. Bewerte deine Erfolge daran, was du aufgeben musstest, um sie zu erzielen.
  16. Widme dich der Liebe und dem Kochen mit rücksichtsloser Hingabe und völliger Unbekümmertheit.

Lerne diese Regeln, damit du weißt, wie du sie brichst.

Der kleine Straßenfeger und das Engelshaar

In der Nacht war Schnee gefallen, und dann hatte es gefroren. Der kleine Straßenkehrer zog sich wärmer an als sonst: mit der roten Pudelmütze, dem langen blauen Wollschal und den dicken roten Handschuhen. Leider hatten die Motten Löcher hineingefressen; so schaute an beiden Händen der Zeigefinger heraus und an der linken Hand auch noch der kleine Finger.

Traurig betrachtete der kleine Straßenfeger die nackten Finger, während er zur Winterstraße ging. Heute brauchte er noch keine Schneeschaufel, aber wenn es weiter schneite, würde er mit dem Besen alleine nicht mehr auskommen. Während er so die Straße kehrte, sah er auf einmal etwas im Schnee glitzern, etwas Glänzendes. Es war ein langer glänzender Faden, den der kleine Straßenkehrer aufhob.

„Engelshaar“, sagte er andächtig, „das Haar von einem Engel!“ Und er wickelte das schimmernde Haar um seinen linken Zeigefinger, der am meisten fror. Das Engelshaar sah wunderhübsch aus – und es wärmte! Nicht nur der Zeigefinger wurde warm, sondern die ganze linke Hand.

„Guten Morgen, kleiner Straßenkehrer“, rief Fräulein Wunderlich, vor deren Garten er das Engelshaar gefunden hatte. Sie war gerade zu ihrem Vogelhäuschen unterwegs, um den Meisen und Spatzen Futter zu bringen. „Was hast du denn da hübsches am Finger?“, fragte sie. „Engelshaar“, sagte der kleine Straßenkehrer stolz. „Jetzt macht es mir überhaupt nichts mehr aus, dass meine Handschuhe Löcher haben.“

Fräulein Wunderlich lächelte ihm freundlich zu. Dann ging sie ins Haus zurück, holte rote Wolle und fünf Stricknadeln aus der Schublade und fing an, dem kleinen Straßenkehrer neue Handschuhe zu stricken. Sicher hat das der Engel so gemeint, dachte sie, als er sein Haar gerade vor meinen Garten legte.

Inzwischen kehrte der kleine Straßenkehrer weiter die Winterstraße. Ab und zu blieb er stehen und betrachtete glücklich seinen linken Zeigefinger. Da kam die alte Zeitungsfrau vorbei. Sie trug ihre Hände in die Schürze gewickelt, weil sie ihre Handschuhe verloren hatte.

„Frierst du?“ fragte sie der kleine Straßenkehrer. Die alte Zeitungsfrau nickte. Der kleine Straßenkehrer zögerte einen Augenblick, dann löste er das Engelshaar von seinem linken Zeigefinger und gab es der Zeitungsfrau. „Du musst es um deine Hand wickeln“, sagte er, „dann frierst du nicht mehr.“

Und merkwürdig! Nicht nur die Hände der alten Zeitungsfrau wurden warm – auch die des kleinen Straßenkehrers blieben es, ja, sie wurden noch wärmer, als sie gewesen waren. (Eva Marder)

Diese Geschichte kam heute als ein Weihnachtsgruß zu mir… Geben und Nehmen sind einander so unsagbar nah.  Danke Elvira + Michael..

Das Geschenk der Abwesenheit

1987: Auf Lanzarote stirbt während einer Konferenz meine beste Freundin durch einen Verkehrsunfall. Am nächsten Tag segnet Peter Sloterdijk ihren plötzlichen Tod mit Worten, die unmittelbar aus seiner Betroffenheit geboren sind: Manchmal sei es gerade die Anwesenheit eines Menschen, die verhindert, dass wir ihn wirklich in seinem Wesen erkennen können. Er behielt Recht: In der Zeit nach ihrem Tod lerne ich Isis noch einmal neu kennen – als Geschenk des Himmels für meinen eigenen Weg und als gnadenreiche Zumutung des Lebens, um durch Enttäuschung und Leid hindurch in meine eigene Kraft zu wachsen.

2005: Johannes Paul II. stirbt nach einem langen und hartnäckigen Ringen zwischen Körper und Geist. In seinen letzten Lebensjahren hat er immer wieder meine Hochachtung gewonnen, weil er den Mut besaß, sich völlig ohne jede Scham in seinen menschlichen Schwächen zu zeigen. Er kannte einfach keinen falschen Stolz – das war wohl seine größte spirituelle Kraft. 25 Jahre lang – immerhin mehr als die Hälfte meines Lebens – war er ein stiller, fast unbemerkter Weltenführer unserer Zeit. Von seiner großen Kraft war kaum etwas zu bemerken – weil Bewertungen, Vorurteile und Meinungen uns daran gehindert haben, die spirituell-friedliche Dimension seiner Weltinnenpolitik wahrzunehmen und zu achten. Erst jetzt, wo er tot ist, werden Aspekte seines Wesens sichtbar, die über Jahrzehnte unsichtbar waren und von den Medien ausgeblendet wurden. In diesen Tagen lerne ich Johannes Paul II. als einen Menschen kennen, den ich nie kennen lernen konnte, solange er noch anwesend war.

Am 18. April öffnet sich nun ein Raum in eine neue Zukunft.
Möge das Leben uns allen einen Papst zumuten, den unsere Zeit braucht…