Wie entwickeln wir eine kollektive Intelligenz?

Zum ersten Mal habe ich Dr. Peter Kruse im ZDF Nachstudio gesehen. Er ist Professor für Organisationspsychologie an der Universität Bremen und Chef des Methoden- und Beratungsunternehmen Nextpractice. Mit in der Runde saßen außer ihm noch Marius Sixtus, Sascha Lobo und Dr. Astrid Herbold. Das Thema des Abends war: Information Overkill – Wie verändert das Internet unser Leben?

Ich habe gestaunt, mit welchen differenzierten Fragen Dr. Peter Kruse in seinem Unternehmen die Frage erforscht, wie sich kollektive Intelligenz entwickeln läßt und wie wir in Netzwerken Qualität gewährleisten können.

Die kollektive Intelligenz einer Talbkrunde zeigt sich für mich als allererstes in der Fähigkeit des Zuhörens… Ich bin eine sehr kritische Talkshow-Zuschauerin. Da mich eine mangelnde Bereitschaft zuzuhören und zu antworten regelmäßig aufregt, schaue ich mir selten einen Sendung ganz an. Bei dieser Sendung habe ich nicht einmal umgeschaltet. Es ist eine Wonne, wie hier zugehört und dann mit Leidenschaft geantwortet wird.

 

Dann habe ich bei Youtube ein Interview gefunden, dass Ulrike Reinhard auf der Konferenz Scope 08 The Future of Learning+Working in Heidelberg mit Peter Kruse geführt hat. Es ist bereits 2 Jahre alt, aber unglaublich aktuell… Und es gehört zum Besten, was ich in Bezug auf Netzwerkkultur bisher gelesen und gehört habe. Es sind 23 kurze Viedos, die randvoll mit Informationen sind. Jedes einzelne ist eine Inspiration. Es lohnt sich, sich Zeit zu nehmen – auch für Pausen und Wiederholungen.

Hier erst einmal etwas Persönliches von Dr. Peter Kruse

Ich finde Menschen sympathisch, die gestrauchelt sind. Wir brauchen Menschen,die Krisen aus eigener Erfahrung kennen. Krisen und Verliebtsein haben eins gemeinsam. Sie sprengen Vorstellungen und  Begrenzungen. Nur wer scheitern kann, kann wirklich erfolgreich sein. Es braucht die maximale Bereitschaft, den Schmerz der Veränderung zu tragen. Dann kann auch Vertrauen wachsen.

Und dann noch ein paar Esssenzen

  • Intelligenz ist eine Frage der Vernetzung im Gehirn. Lernprozesse brauchen Vernetzung (Technologie + Beziehung), Erregung (Aufmerksamkeit) und Bewertung (Werte).
  • Das Problem von web 2.0. ist, dass es so erfolgreich ist. Die Vernetzung klappt, die Erregung klappt – aber die Bewertung klappt noch nicht.
  • Hierarchische Systeme wollen Netzwerke verhindern, weil sie nicht zu kontrollieren sind.
  • Wir haben einen Erziehungsgeschichte, die uns zu Einzelkämpfern macht und uns beigebracht hat, nicht auf den Mehrwert eines Kollektivs zu vertrauen.
  • Wir müssen kollektive Aufgaben bewältigen, aber unsere Netzwerke sind dafür noch nicht so gut. Wir brauchen dazu ein hochintelligentes Diskurssystem.
  • Qualitätsgesicherte Prozesse sind Voraussetzung für das Funktionieren von Netzwerken. Ohne Werte fallen Systeme zurück ins Chaos.
  • Resonanzbildung in einem Netzwerk ist wichtig, damit Werte entweder empathisch oder strukturiertes wahrgenemmen werden können.
  • Intuition wächst aus einer langen Geschichte der Überforderung.

Und jetzt…

Viel Spass beim Zuhören.
Ich bin gespannt, welche Essenzen Sie für sich entdecken werden?

Die Intelligenz des Körpers

Manchmal stelle ich mir vor, dass Billionen von Individuen glücklich in einer Gemeinschaft zusammen leben:

Alle wissen um was es geht.
Jeder bringt persönliche Fähigkeiten und Handicaps mit.
Jede Sichtweise hat ihre eigene Wahrheit.
Jeder hat ein klares Bild von dem, was er einzubringen hat.
Jeder akzeptiert, dass er unvollkommen ist und Hilfe braucht.
Jeder weiß, dass seine Begabungen erst in Kombination mit anderen wirksam werden.
Jeder integriert die Entwicklungen der anderen auf seine Weise ins Gemeinsame.

Solch eine Gemeinschaft gibt es. Es ist unser menschlicher Körper.

Offensichtlich funktionieren unsere Zellgemeinschaften besser als unsere menschlichen Gemeinschaften. Es gibt in unserem Körper keine heimatlosen Zellen, niemand ist sinnlos und ohne Bedeutung. Jeder ist bereit, alles von sich einzubringen, damit das größere Ganze gesund leben kann.

Wenn wir den Lebensstil unseres Körpers als Leitmotiv wählen würden, ginge es auf unserem Planeten wohl friedlicher und lebendiger zu… Wir könnten zu einem gemeinsamen Organismus und zu einer globalen Gemeinschaft zusammenwachsen.

Ich habe meinen Körpers als Leitbild gewählt.
Was lehrt dich dein Körper?

Die Klassenfahrt: Das Wir gewinnt

Auf einer Geburtstagsfeier treffen Birgit-Rita und ich eine Freundin. Elke ist Lehrerin an einer Gesamtschule und ist gerade von einer 1-wöchigen Klassenfahrt mit elf- bis dreizehn-jährigen Schülern zurück. Wir sind neugierig – und Elke erzählt:

An ihrer Schule werden inzwischen Klassenlehrer-Duos eingesetzt. Damit lag die Gestaltung der Klassenfahrt bei ihr und ihrer Team-Partnerin. Die beiden wollten den Schülern mit dieser gemeinschaftlichen Erfahrung vermitteln, dass sich Selbstvertrauen in der Auseinandersetzung mit der Welt entwickelt und dass es Spaß macht, innerhalb einer Gemeinschaft Verantwortung zu übernehmen.

So haben sie sich für eine Haus mit Selbstversorgung entschieden. Die Kinder waren für die Essensplanung, den Einkauf, das Kochen und Abwaschen zuständig. Die Kinder wurden in Kleinfamilien aufgeteilt, die jeweils ein eigenes Haus bewohnten. Jedes Haus hatte eine bestimmte Verantwortungen für das gemeinsame Miteinander. Die einen waren für das Geld zuständig, andere für den Einkauf oder das Kochen. Jeder war wichtig… Sie haben mit den Kindern Ausflüge in die Umgebung unternommen und gemeinsam an einem Outdoor-Training teilgenommen.

Elke erzählt mit glänzenden Augen über ihre ungewöhnlichen Erfahrungen. Gerade die schwierigen Schüler haben sich am meisten für das gemeinsame Wohlergehen engagiert. Viele Konflikte ließen sich gemeinsam lösen, weil alle ihren Beitrag leisten wollten. Ein Diebstahl wurde von allen betroffenen Seiten verantwortet und damit zu einer Lernerfahrung für alle.

Wie begeistert Kinder soziale Verantwortung übernehmen, wenn sie spüren, dass sie wichtig sind…
Wie leicht ihnen das Lernen fällt, wenn sie erleben, dass das Gelernte für die Gemeinschaft von praktischer Bedeutung ist…

Immer mehr Kinder können Wissen nur im Kontext eines sinnvollen Zusammenhangs lernen. Sie lernen gerne und leicht, wenn sie mitmenschliches Wohlwollen erleben und um die praktische Relevanz des Gelernten wissen. Damit fordern sie uns heraus, für sie und uns einen Lern-Weg in die Zukunft zu entwerfen, der praktisch, sinnvoll und herzvoll ist – oder keine Weg sein wird.

Wann und wie lernen Sie eigentlich leicht und gerne?

Was wir nicht alleine schaffen…

Ich bin im Auto unterwegs. Im Radio läuft mein persönlicher Favorit unter den Sendern – WDR 5. Am frühen Nachmittag: Lilipuz – Das Radio für Kinder. Ein Mädchen ist am Telefon und hat einen Musikwunsch: Was wir alleine nicht schaffen – von Xavier Naidoo. Ich singe begeistert mit und lasse mich von den Rap-Frequenzen bewegen. Ich kann es kaum glauben: Ein 10-jähriges Mädchen hat sich diesen Text gewünscht.

Anschließend erzählt der Redakteur, dass dieses Lied zu den am häufigsten gewünschten Songs bei Lilipuz gehört.

Die jungen Generationen wissen es also längst: Die Zeit der einsamen Wölfe ist vorbei. Alles was jetzt wirkt, ist gemeinsam bewirkt. Beim Fahren wachsen mir Flügel der Freude.

Ich bin in den 50gern geboren. Die meisten meiner Generation haben gelernt, zu beweisen, dass sie niemanden brauchen. Dieser Stolz – gepaart mit Neid – hat uns Jahrzehnte von Konkurrenz und Isolation beschert. Für viele, die nach dem Krieg geboren sind, bedeutet das Eingestehen von Schwächen und das Bitten um Hilfe einen emotionalen Super-Gau. Die Beweiskraft, die uns geprägt hat, hat uns getrennt – vor allen von den Generationen vor uns und nach uns.

Bei den Jungen erlebe ich eine große Selbstverständlichkeit im Umgang mit den eigenen Handicaps. Sie wissen, was sie nicht können – manchmal zu gut. Sie können gut um Hilfe bitten. Wenn sie jemanden finden, der sich von Herzen für sie interessiert, verbinden sie sich und lernen schnell – von ihm und am liebsten mit ihm. Sie achten die Erfahrungen der Älteren und verfügen über das Selbstvertrauen, sie mit ihren eigenen Fragen zu inspirieren.

Für sie und mit ihnen ist generationsübergreifendes Lernen möglich – in beide Richtungen. Jetzt kommt es darauf an, ob wir die Chance zur Kombination nutzen.

Was wir nicht alleine schaffen, schaffen wir dann zusammen.

Ich bin vor Freude völlig aus dem Häuschen: Endlich sind wir reif für das, wovon ich immer getr äumt habe.

Ansteckende Kreativität

In meiner Supervisionsgruppe für Lehrer erzählt Peter von TED. Der Vortrag über Kreativität von Ken Robinson habe ihn wie ein ICE-Zug getroffen. Kurze Zeit später sitzen wir gemeinsam vor dem Bildschirm und lauschen dem Videoclip. Immer wieder nicken alle oder lachen. Robinson spricht mit ansteckender Begeisterung und Humor von dem, was ihn bewegt: Ohne Kreativität verkümmert jede Intelligenz und damit jede Form der Bildung zur Mittelmäßigkeit.

Es gibt Menschen, die kommen erst in Bewegung auf die wichtigen Gedanken. Wir lernen 10 Jahre lang Mathe – auch wenn wir keine mathematische Begabung haben. Warum lässt man uns nicht gleichzeitig 10 Jahre lang tanzen – wo wir doch alle einen Körper haben?

Kein Wunder, dass so viele Kinder ADHS haben… Sie dürfen sich einfach nicht genug bewegen.

Auf Grund dieses TED Talks hat Peter als Schulleiter angeordnet, jede Art von kreativen Aktivitäten in seiner Schule zu unterstützen. Ein Zirkusprojekt wurde angeregt und ein Kurs für Improvisation + Theater ins Leben gerufen… Ein kreatives Schulfest mit 1200 Schülern wurde ein riesiger Erfolg.

Worte wirken. Unkonventionelle Weg stecken an.