Zuhören – Sind Sie ein 18-Sekunden-Manager?

Nach einen amerikanische Studie, unterbricht ein Arzt seinen Patienten im Gespräch durchschnittlich nach 18 Sekunden. Nach Tom Peters sind auch die meisten Führungskräfte 18-Sekunden-Manager, weil sie so schlecht zuhören können.

Für ihn ist die wichtigste Führungskompetenz das Zuhören. Denn alle für die Führung wichtigen Informationen offenbaren sich, wenn wir den Mitarbeitern, den Kollegen, unseren Kunden und Partnern genau zuhören.

Strategisches Zuhören ist eine Kompetenz, die seiner Meinung nach jede Business School als erstes vermitteln sollte. Sein Tipp ist einfach: Shut up and listen!

Ich weiß noch genau, welche Erleuchtung für mich im Studium das 4-Ohren-Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun war. Ich verstand auf einmal, dass wir mit unterschiedlichen Ohren hören. Und dass wir mit der Art unseres Hörens die Qualität unserer Beziehungen gestalten.

Zuhören ist eine Kunst – und Hören will gelernt sein. Hören braucht das Interesse am Anderen, Achtung und Respekt vor seinen Erfahrungen und eine gehörige Portion Neugier auf seine Sicht der Dinge.

Persönlich habe ich Veränderungen oftmals dann erlebt, wenn mir jemand sein Ohr geschenkt hat. Im Ohr des Anderen habe ich meinen eigenen Weg gefunden…

Jeremy Rifkin: Die Empathische Zivilisation

Jeremy Rifkin ist mir dadurch aufgefallen ist, dass er als Amerikaner so viel Augenmerk auf die historische Entwicklung des europäischen Bewusstseins hat, und auf unseren – seiner Meinung nach – wichtigen Beitrag für die globale mitmenschliche Zukunft. Nun ist sein neustes Buch Die empathische Zivilisation erschienen.

Ich habe mich über einige ziemlich polemische Artikel über dieses Buch gewundert, denn ich kenne Rifkin als einen intelligenten und differenzierten Autor.

Schließlich wollte ich es wissen, habe mir das Buch gekauft und es selber gelesen. Als ich einmal mit dem Lesen angefangen hatte, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen.

Rifkin beschreibt auf anschauliche Weise die Reise der Menschen zu einem empathischen Bewusstsein. Seine Sicht auf die menschliche Geschichte und auf die Entwicklung unserer Gefühle hat mich sehr inspiriert.

Hier ein paar Essenzen aus dem Buch:

  • Die Evolutionsgeschichte der Menschen lässt sich als eine Entwicklungs-geschichte der Empathie lesen.
  • Ohne die Entwicklung von Sprache und Schrift wäre Selbst-Bewusstsein und Empathie, wie wir es heute kennen, nicht möglich.
  • Empathie wächst durch Bindung und Beziehung. Sie wird erst durch Introspektion und Selbstreflexion möglich.
  • Das Christentum hat eine große empathische Bewegung ausgelöst.
  • Dass Eltern, Erziehung und Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung von Kinder eine große Rolle spielen, ist eine relativ junge historische Erkenntnis.
  • Um uns empathisch weiterzuentwickeln, brauchen wir neue Wege der Energieversorgung, die Möglichkeit der vernetzten Kommuniktation und ein Bewusstsein für unsere Verbundenheit mit der gesamten Biosphäre.
  • Die empathische Erweiterung unseres Selbst macht immer komplexere gesellschaftliche Interaktionen und Infrastrukturen möglich.
  • Für die Entwicklung von Empathie braucht es verkörperte Erfahrungen. Mit dem Ende des Patriarchats entdecken wir die Bedeutung des Körpers für unsere mitmenschlichen Beziehungserfahrungen.

Ich finde, jeder Berater, jeder Lehrer oder Erzieher, jeder Unternehmer, jeder Politiker, der an unsere emotionale Intelligenz glaubt, sollte dieses Buch lesen.
Erstaunlich, dass es in unserem Land nur so wenig positive Resonanz zu einem Buch über die Geschichte der empathischen Beziehungsfähigkeit gibt.

Sind wir wirklich immer noch nicht so weit?

Robert Enke wirkt auf dem Schulhof

Diese Woche kam eine Lehrerin zu mir ins Coaching, die sich seit einiger Zeit in unserem Institut supervidieren lässt. Wir sprechen über das, was sich im letzten halben Jahr durch die Supervision verändert hat und holen die Früchte unserer Arbeit ab. In diesem Zusammenhang beschreibt sie, dass sie eine eigene Sprache und Handlungsform für ihre Werte gefunden hat, und erzählt mir dazu folgendes Beispiel:

In ihrer Klasse gibt es ein 13-jähriges Mädchen, dem es in diesem Jahr immer schlechter gegangen sei. Als sie anfing, sich selber zu verletzen, habe sie sich eigenständig entschieden, in eine Klinik zu gehen; sie wußte, dass sie Hilfe braucht.

An dieser Stelle, steht mein Mund vor Staunen weit auf .

Inzwischen ist sie wieder zurück in der Schule und ist gegenüber ihren Mitschülern sehr offen mit ihrer Krankheit und dem Klinikaufenthalt umgegangen.

Mein Mund steht inzwischen sperrangelweit offen – die Selbstkompetenz dieses Mädchens ist wirklich unglaublich.

Vor 3 Wochen sei es auf dem Schulhof dann zu einem Streit zwischen ihr und einem anderne Schüler gekommen. Sie habe gehört, wie der Junge schließlich zu dem Mädchen gesagt hat: ‚Geh doch zurück in die Klappsmühle. Du kriegst dein Leben eh nicht geregelt‘.

Puh – das Leben mutete uns manchmal wirklich schweren Gegenwind zu.

Sie hat den Jungen dann zu einem Gespräch zu sich gerufen. Er sei doch Fussballer und hätte doch sicherlich von Robert Enkes Selbstmord gehört. Dieser tolle Torwart habe sich vor den Zug geworfen, weil er sich nicht getraut hat, darüber zu sprechen, dass er krank ist und Hilfe braucht. Seine Mitschülerin sei wirklich mutig; sie stehe zu ihren Schwächen und kämpfe für ihr Leben. Von Robert Enkes Tod habe sie gelernt, wie wichtig es ist, Menschen, die diesen Mut haben, zu respektieren und zu unterstützen. Sie würde ihm vorschlagen, auf seine Mitschülerin noch einmal zugehen und sich bei ihr entschuldigen…

Der Junge war betroffen und einsichtig. Er konnte spüren, dass seine Lehrerin ihn nicht verurteilte – sondern erinnerte.

Jetzt bekomme ich meinen Mund nicht mehr zu – ich bestaune die herzvolle Konsequenz diese Lehrerin.

Sie hat über eine Beschämung auf dem Schulhof nicht hinweggehört… Sie hat den Jungen dort abgeholt, wo ihm etwas wichtig und wertvoll ist (Fußball)… Sie hat ihm am Selbstmord eines Fußballers deutlich gemacht, wie wichtig ein respektvoller Umgang mit Schwächen ist… Sie hat für diesen Jungen mal kurz die Welt auf den Kopf gestellt, indem sie ihm gezeigt hat, dass es mutig ist, zu seinen Schwächen zu stehen… Sie hat dem Tod von Robert Enkes auf ihrem Schulhof einen Sinn gegeben.

Ich bin mir sicher, dieses Gespräch mit seiner Klassenlehrerin wird der junge Mann nie im Leben vergessen… Ich auch nicht.

Manchmal schmecken die Früchte meiner Arbeit einfach köstlich…

Gabriele Fischer – Wie kommt das Leben in die Worte?

Eine letzte Geschichte möchte ich hier noch über Gabriele Fischer erzählen:

Mich hat an Brandeins von Anfang die Sprache begeistert. In einer Zeit, in der Medien vor allem die Macht der Bildern einsetzen, vertraut dieses Magazin auf den Zauber von Worten. Meine Frage an Gabriele Fischer war daher: Was ist das Besondere an der Brandeins-Sprache? Und wie schaffen Sie es, so viele Autoren eine Sprache sprechen zu lassen?

Gabriele Fischer ist sichtlich stolz auf diesen Unterschied. Dann korrigiert sie mich: Es gibt keine einheitliche Sprache. Jeder Autor schreibt in seiner eigene Sprache (stimmt!) – und das sei auch so gewollt. Aber es gäbe eine Grundhaltung, die für alle Autoren verbindlich ist: Jeder Artikel soll eine eigene Dramaturgie haben und den Leser mitnehmen auf eine emotionale Reise zu Menschen und Unternehmen.

Es geht also nicht um nüchterne Fakten – sondern um das Erzählen von Geschichten. Während Fakten und Informationen uns vor allem mental ansprechen, geschieht beim Geschichtenerzählen etwas ganz anderes. Sie berühren uns emotional und werden ganzheitlich (mental, emotional, körperlich) verarbeitet. Sie nehmen uns mit in eine andere Wirklichkeit. Sie beleben uns.

Die Macht der Sprache hat mich von kleinauf fasziniert. Darüber habe ich ja bereits an anderer Stelle geschrieben. Ich spürte schon damals – irgendwie, dass Worte heilen können, dass Sprache einen Körper und eine Seele hat. Ich wusste nur nicht, wie das Leben in die Worte kommt. Und wieso die Worte der meisten Menschen so leblos waren. Lag es daran, dass sie die Kunst des Sprechens nicht verstanden – oder dass mein Hören nicht tief genug reichte?

Ich habe als Kind unter heftigen Ohrenschmerzen gelitten. Und bis heute ist es so, dass ich es nur schwer ertragen kann, wenn Sprach-Worte eine andere Sprache sprechen als die Körper-Sprache. Leblose Worte tun mir im Ohr weh. Und es macht mich zornig, wenn ich erlebe, dass Worte achtlos ausgespuckt werden, so als könnten sie kein Unheil anrichten…

Heute weiß ich, dass sich in unserer Sprache ausdrückt, wie nah wir unseren Gefühlen sind. Und wie sehr unsere Gefühle im Körper verankert und verwurzelt sind.

An diesem Abend war jedes Wort mit Leben gefüllt und hat nach leibhaftigen Erfahrungen schmecken. Ich habe gelauscht – ganz ohne Ohrenschmerzen.

Manchmal machen Worte richtig satt – oder?

 

Gabriele Fischer – Gegen den Wind segeln

Nach meiner ersten und zweiten Episode ist dies nun meine dritte Geschichte über einen Abend mit Gabriele Fischer.

Eine der Düsseldorfer Unternehmerinnen stellte die Frage, wie Brandeins es geschafft hat, zehn Jahre lang mit gleichbleibender Qualität zu erscheinen.

Gabriele Fischer erzählt, dass sie am Anfang vor allem Wut, Verzweiflung und auch Selbstüberschätzung getragen hätten. Sieben Jahre lang musste sie um jede einzelne Ausgabe des Magazins kämpfen. Jedes Heft war mit großen finanziellen Risiken verbunden – die Insolvenz stand jeden Tag vor der Tür.

Doch in der Redaktion waren sich alle einig: Wenn sie schon untergehen sollten, dann mit der besten Ausgabe, die es je gegeben hat. So haben sie immer wieder ihr Bestes gegeben und jedes Wort mit Fleisch und Blut gefüllt. Als es mit Brandeins 2006 endlich bergauf ging, war der selbstgewählte Qualitätsstandard für alle selbstständlich geworden.

Ich weiß genau, wovon sie redet… Als wir vor sieben Jahren SONNOS ins Leben gerufen haben, wußten wir, dass es in Deutschland – nach einer Zeit von Wachstum und Reformation – nun um grundlegende Transformationen geht. In Zeit des Übergangs würde sich Verantwortung vor allem als Selbst-Verantwortung zeigen, und die persönliche Wirksamkeit mehr und mehr von der eigenen Authentizität abhängen. Die Quellen, aus denen wir unseren Selbstwert schöpfen würden sich ändern – und auch die Formen, in denen wir unsere Beziehungen leben und gestaltet.

Wir wollten Menschen auf diesen Veränderungsprozess vorbereiten und sie dazu befähigen, sich und andere durch Krisen führen zu können. Unsere Sichtweise eines sich vollziehenden Transformationsprozesses stieß am Anfang oft auf Unverständnis. Wir sind die ersten Jahre entweder im Windschatten oder gegen den Wind gesegelt… Auf einmal spüre ich, wie gut uns dieser Gegenwind getan hat. Er hat uns unbestechlich gemacht, und uns die Kraft verliehen, gegen den Strom zu schwimmen.

Wir bekommen wohl immer die Herausforderungen geschenkt, durch die wir gerade am besten wachsen können. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass mir die Unterstützung und Bestätigung durch andere die größte Kraft verleiht. An diesem Abend spüre ich deutlich: Um eine transformatorische Wirkung zu entwickeln, brauchen wir gerade die Windstärken, die uns von vorne entgegenblasen. Es gibt eine Kraft, die erst im Gegen-den-Wind-segeln entsteht…

Kennen Sie in Ihrem Leben auch diesen Unterschied zwischen der Kraft der Bestätigung und der Kraft des Gegenwinds? Und welche Fähigkeiten von Ihnen haben sich vor allem durch die Windstärken-von-vorne entwickelt?