Wir erben immer – die unerledigten Geschichten

Sie sagen über uns, wir seien die Generation der Erben. Niemals zuvor wurde so viel vererbt wie heute. Wir denken dabei an den Segen eines unverdienten Vermögens, wir hoffen vielleicht auf eine finanzielle Entschädigung für vergessene Anerkennung. Wir bedenken nicht, dass wir immer auch die gesamte Lebensgeschichte unserer Eltern erben – mit ihren Stärken, Schwächen und ungelebten Möglichkeiten.

In der Illusion, dass das, was ignoriert wird, nicht wirkt, haben unsere Eltern die Schatten ihrer Vergangenheit in die Herzen der nächsten Generation verschoben. In der fatalen Hoffnung auf Vergessen (aus Liebe) vererben sie ihre Angst- und Schuldgefühle, ihre Tabus und faulen Kompromisse. Dabei heißt Lieben: die Angst vor der Wahrheit verlieren, aus Fehlern lernen – ganz gleich ob es deiner, meiner, ihrer oder unserer war – und menschliches Versagen in Mitgefühl zu wandeln.

Durch Ignoranz gegenüber unseren Gefühlen sind wir eine Generation ohne Zukunft geworden. Wenn wir bereit sind, das ungelebte Erbe unserer Eltern anzutreten, können wir vielleicht ihre unerledigten Geschichten in unserem eigenen Lieben erlösen. Und dann – mit ihnen im Rücken – einen Weg in eine mitmenschliche Zukunft finden.

The Story of Berlin

Mitten auf dem Kuhdamm – ein Erlebnismuseum: The Story of Berlin.
Eine multimediale Zeitreise durch die deutsche Geschichte, betrachtet und fühlbar gemacht durch die Wahrnehmungstore einer Stadt. Ich steige ein und der Strom der Geschichte nimmt mich mit (im doppelten Sinne des Wortes). Durch begehbare Kulissen, interaktive Touchsreens, Licht-, Ton- und Geruchsinszenierungen, werde ich zum aktiv Erlebenden: Ich kann Geschichte auf einmal hören, sehen und sogar riechen, ich bekomme ein unmittelbares Gefühl für die Seelen-Stimmung einer Zeit, für die Menschen-Kraft einer Epoche.

Beim Wiederauftauchen in unserer Zeit erfüllt mich eine große Dankbarkeit. Ich spüre, dass unsere Geschichte mein Erbe ist. Ohne sie wäre ich nicht. Ohne sie hätte mein Leben keinen Grund, keine Richtung. Ich spüre den unsagbaren Schatz menschlicher Erfahrung, den sie mir in den Rücken stellt. Immer wieder klingen Eindrücke, Bewegungen und Bilder aus dem letzten Jahrhundert deutscher Geschichte wie ein Echo in mir nach. Ich (wir alle!) wurde in eine Zeit hinein geboren, die mehr Geschichte produziert hat, als wir in einem Menschenleben verdauen können. Zum ersten Mal hört der Hader auf, der Groll, der stille Vorwurf gegen die kollektive Ignoranz meiner Vorfahren.

Schade, dass wir Geschichte immer wieder in die Vergangenheit abschieben. In ihrem Spiegel können wir so viel lernen: über die Logik der Gefühle, über die Grenzen der Politik, über die Verführbarkeit der Menschen, die nicht wissen wollen, über Dynamik und Stabilität von gesellschaftlichen Systemen.

Ich wünsche dieses Museum jedem Lehrer, jedem Schüler, jedem Politiker, jedem Künstler, jedem Unternehmer, jedem Psychologen… Etwas an dieser Zeitreise hat mich milde gestimmt.

Väterliche Herzkraft

Gerade habe ich die Nachricht bekommen, dass mein Vater in einigen Tagen an seinem Herzen operiert wird. Im Augenblick habe ich mehr Angst als er. Er ist einfach nur erleichtert, dass es eine Lösung zu geben scheint, für einen Leidensweg, der für ihn nun schon 1 Jahr dauert.

Ich aber spüre meine Liebe zu ihm. Ich erinnere mich an sein großes Herz, das sich nie so recht entfalten konnte. Ich erinnere mich an all die Male, in denen er seinen Wunsch nach Intensität und Leidenschaft nur als sportliche Leistung erleben konnte.

Und ich wünschte mir von Herzen, dass ich ihm etwas von meiner Herzkraft schenken könnte. Ich weiß, dass der Weg vom Ich zum Wir kein leichter ist. Wer ihn nicht freiwillig geht, den fordert das Leben heraus… und zwar dann, wenn wir hilflos sind und nicht anders können als – vertrauen.

Möge dein Herz dich durch diese Erfahrung mit der Kraft tragen, die es für mich immer hatte. Ich liebe dich.