Benjamin Button – Am Ende gehts ums Loslassen

Ganz spontan haben wir uns entschieden, am Wochenende ins Kino zu gehen und uns Benjamin Button anzusehen. Der Vorraum ist rappelvoll und an der Kasse stehen lange Schlangen von Menschen. Geduld ist angesagt, wir versorgen uns mit Popcorn und um 21 Uhr sitzen wir endlich im Kino – just in time. Der Film beginnt.

Dann verschwinde ich für zweieinhalb Stunden in einer anderen Zeit. Dieser Film ist voller Poesie und voller Gefühle, die sich nicht so leicht einordnen lassen – einfach weil sie unsere üblichen Sehnsüchte nicht bedienen. Der seltsame Fall des Benjamin Button beginnt und endet jenseits unserer Vorstellungen.

Oder haben Sie schon einmal davon geträumt, sich in jemanden zu verlieben, der als alter Mann geboren und mit jedem Lebensjahr jünger wird – während Sie in die andere Richtung unterwegs sind? Haben Sie sich schon einmal danach gesehnt, jemanden zu lieben, mit dem Sie am Anfang und am Ende durch vier Generationen Lebenszeit getrennt und verbunden sind? Dieser Film ist voller Zärtlichkeit für die Einzigartigkeit jedes menschlichen Lebens. Er erinnert daran, dass es im Leben immer ums Loslassen unserer Vorstellungen geht – vor allem über die Liebe.

Er ist auch ein technisches Meisterwerk: schauspielerische Glanzleistungen, eine Maske mit viel Liebe zum Detail und eine fantastische Trickanimation sind so kombiniert, dass Lebensnähe und Natürlichkeit entstehen und ich zwischendurch völlig vergesse, dass ich im Kino sitze.

Am Ende des Films steht kaum jemand auf… Es ist still im Zuschauerraum. Es gibt Filme, bei denen wir einfach die Zeit des Nachspanns brauchen, um wieder einen Zugang in unser eigenes Leben zu finden. Vielleicht ist der Nachspann eines Films ja Ausdruck puren Mitgefühls für die Zuschauer…

Seitdem schleichen sich die Eindrücke dieses Films Nacht für Nacht in meine Träume. Sie wühlen mich auf. Sie berühren mich zärtlich. Und sie formatieren Spuren in mir – Spuren, die mir Mut machen, in den Verrückheiten des Lebens einen Ausdruck der Liebe zu entdecken.

Für jeden, der Lust auf ein ungewöhnlich zärtliches Filmerlebnis hat – und natürlich auf inspirierende Träume – ist dieser Film einfach ein Himmelsgeschenk.

Ben Becker – Wenn Worte lebendig werden

Zu meinem letzten Geburtstag habe ich von Birgit-Rita Karten für die Bibel-Symphonie mit Ben Becker geschenkt bekommen. Und heute ist es so weit. Wir sitzen in der Kölnarena, Reihe 12 und haben einen freien Blick auf die Bühne. Ein Predigerpult, das Filmorchsester Babelsberg, die Zero Tolerance Band und eine Videoleinwand – aufgebaut wie ein dreiteiliger Triptychon.

Ich bin aufgeregt – und gespannt wie ein Flitzebogen. Es ist lange her, dass ich mir 3 Stunden Zeit für die Bibel genommen habe… Irgendwann in den 80ger Jahren als ich in Münster – neben anderen Fächern – auch Theologie studiert habe.

Während sich die Halle langsam füllt, tauchen Erinnerungen an die Gottesdienste meiner Kindheit auf… Jeden Sonntag hörte ich in der Kirche den Satz: Sprich nur ein Wort – und meine Seele wird gesund. Und ich weiß noch, wie ich mich immer bemüht habe, das gesprochene Wort so zu hören, dass es in mir lebendig wird.

Irgendwie wußte ich, dass Worte heilen und verändern können. Damals war ich ganz sicher, dass Worte in unserem Körper wirken, wenn wir sie nur richtig hören können. So habe ich Sonntag für Sonntag das Hören geübt und mein Empfindungsvermögen geschult.

Ich wußte damals noch nicht, dass uns nur Worte im Herzen bewegen können, die aus dem Herzen kommen. Und von Gefühlen war an diesen Sonntagen in der Kirche nicht wirklich viel zu spüren. Mitmenschlichkeit war so tief hinter Formalismen und Konventionen verborgen, dass ich vergeblich versucht, leere Worthülsen zum Leben zu erwecken.

Ben Becker hat nicht viel mit Religion am Hut – auch wenn er stets von einer Armada von Schutzengel umgeben zu sein scheint. Dafür bringt er jedoch – in alles was er tut – die geballte Leidenschaft seines Lebens mit ein.

Als er anfängt zu lesen beginnen mir die Tränen über das Gesicht zu laufen. Jedes Wort, jedes Bild bewegt mich. Durch ihn werden Worte, die ich unzählige Male gehört habe, plötzlich lebendig. Und jede biblische Geschichte wird zu einer Geschichte aus meinem Leben – errungen, gefühlt und erlitten. An diesem Abend werden Hören und Sprechen in mir eins… Und meiner Liebe für die Kraft der Worte wachsen Flügel.

Wenn wir uns ganz geben, werden Worte lebendig.

Übrigens: Die Erstaufführung im Tempodrom Berlin 2007 gibt es auch auf DVD. Sehr sehens- und hörenswert!

Fehler-Kunst

Zum Geburtstag meines Vaters war unsere gesamte Familie in Düsseldorf im Roncalli Apollo Variete. Die Künstler waren alle aussergewöhnlich und alles lief perfekt… Und dann passiert plötzlich ein Flopp. Der ‚italienische‘ Confronsier fiel – von sich selbst unbemerkt – aus seiner Rolle und sprach auf einmal in reinstem Düsseldorfer Slang. Nach drei Sätzen kam er sich selbst auf die Schliche, schlug die Hand vor den Mund und stellte erschrocken fest: Auch du liebe Güte. Jetzt habe ich meinen italienischen Akzent verloren!

Nichts davon war geplant oder einstudiert. Es war einfach ein Fehler. Doch von da an, war der Bann gebrochen. Mit diesem Flopp hat er die Herzen aller Zuschauer erreicht. Immer wieder hat er auf sein Missgeschick angespielt und immer wieder haben wir schallend gelacht. Auf einmal war in einer nahezu perfekten Vorstellung ein menschlicher Augenblick eingefangen.

An diesem Abend habe ich eine völlig neue Sichtweise auf Fehler gewonnen. Es stimmt schon: When too perfect, God böse. Fehler schenken uns den Zauber des Augenblicks. In einer Zeit, in der es so viele inszenierte, simmulierte und retouchierte Wirklichkeiten gibt, wird der Fehler zum Garanten von Realität. Ich spüre mit jeder Zelle meines Körpers, dass ich live dabei bin… Ich erlebe hautnah mit, wie ein Augenblick aus dem Rahmen fällt und sich als Menschlichkeit entfaltet.

Was ein Glück, dass wir ab uns zu aus unserer Form fallen…

Gefühle sind der Kompass

Gefühle haben in der abendländischen Kultur keinen besonderen Ruf. Ihre Missachtung lässt sich bis in die Antike hinein zurückverfolgen. Von Platon über Aristoteles bis heute gilt die Vernunft als überlegene Instanz – Gefühle werden dagegen als eher primitiv, unzuverlässig und gefährlich abgetan.

Erst in den letzten Jahren rücken die Gefühle mehr und mehr in den Fokus der Wissenschaft. Antonio R. Damasio ist einer der Wissenschaftler, die ihnen zu einem neuen Ruf verholfen hat. In seinem Buch Ich fühle also bin ich beschreibt er, dass es vor allem unsere Gefühle sind, die uns durch die vielenfältigen Dimensionen unseres Alltags führen…

Bei Spiegel online habe ich einen Artikel über Damasio gefunden, der anschaulich beschreibt, auf welche Weise unsere Gefühle uns führen und uns zu einem sicheren Platz in der Welt verhelfen.

Wo sind deine Gefühle dir ein wichtiger Kompass gewesen?

Den eigenen Rhythmus entdecken

In dem noch jungen Daimler Blog schreibt Mario Jung über seine Arbeit in der Dauernachtschicht bei Daimler. Er hat gewählt, nur nachts zu arbeiten, morgens um 6 wieder nach Hause zu kommen, bis 14 Uhr zu schlafen und dann den Tag zu genießen, bis er abends gegen 10 wieder zur Arbeit geht.

Meine Schwester Astrid und ihr Mann haben die gleiche Wahl getroffen. Früher kam Thomas erst gegen 18 nach Hause. Kurze Zeit später mussten die Kinder schon ins Bett. Heute hat er den ganzen Nachmittag und Abend Zeit für seine Familie Zeit. Diese familienfreundliche Arbeitszeit genießen inzwischen alle. Und Thomas bleibt der permanente Übergang in eine andere Schicht erspart, der für seinen Körper sehr anstrengend war.

Es ist gut, wenn wir unseren Arbeitsrhythmus selber wählen können.

Arbeiter und Angestellter haben nur selten diese Möglichkeit. Doch wer als Selbständiger arbeitet, muss seinen eigenen Rhythmus finden, weil er jeden Tag über seine Zeit selber entscheidet. Das ist nicht einfach.

Auf dem Weg zu meinem Rhythmus bin ich als erstes meinen Ansprüchen begegnet und dann meinen Schuldgefühlen. Ich habe entdeckt, wie oft ich in meinem Leben auf Körperimpulse, emotionale Bedürfnisse, Wünsche und Träume verzichtet habe… Ich habe viel ausprobiert, um herauszufinden, was mir gut tut. Eine richtig gute Idee war dabei meine Einführung der Gelben Tage. Sie haben mir gezeigt, dass meine Kraft Rhythmus braucht.

Heute weiß ich, dass ich den rhythmischen Wechsel zwischen den effektiven, kreativen und regenerativen Zeiten meines Lebens brauche. Erst der Rhythmuswechsel ermöglicht mir, leicht und mühelos zu arbeiten, die Begegnung mit Anderen zu genießen und mich körperlich zu entspannen.

Was ist dein Rhythmus? Und zwischen welchen Polen wächst deine Kraft?