Um mich herum gibt es immer mehr Menschen, die mit ihrem Lebensentwurf gescheitert sind. Kunden lassen sich nicht mehr so leicht gewinnen. Firmen gehen in die Insolvenz. Beziehungen enden unvermittelt – manchmal auch gnadenlos – obwohl man sich jahrelange gesagt hat: Es wird schon wieder – irgendwie.
Geschichtlich gesehen wurde in Deutschland persönliches Versagen immer mit Verachtung gestraft. Doch vielleicht liegt eine Gnade darin, dass wir nicht alles bekommen was wir wollen, dass wir nicht alles können was wir möchten… Vielleicht üben wir gerade eine Art von Freiheit, die entsteht, wenn sich die Anhaftung an das Materielle zu lösen beginnt. Vielleicht lernen wir, uns mitfühlend in die Schuhe eines anderen Menschen zu stellen, weil wir wissen: Ja, das kenne ich auch. Wo sonst kann das Vertrauen ins Leben wachsen – ob wir wollen oder nicht? Freiwilligkeit wäre dann wohl ein Segen.
Im letzten Jahrhundert haben wir begeistert mit eingestimmt: Freedom is just another word for nothing left to loose. Und doch war es für die meisten nach dem Krieg Geborenen nicht mehr als eine sentimentale Erfahrung. Heute wird sie für immer mehr Menschen zur verkörperten Wirklichkeit – geschrieben aus den Zumutungen des Lebens, gewürzt mit den Gaben, die erst eine Krise freisetzt. Wir sind in beiden Zeiten zu Hause. Wir erleben das WERDEN.