Wenn ich neue Menschen kennenlerne, taucht im Gespräch irgendwann immer die Frage auf: „Was machst du eigentlich beruflich?“ Wenn ich dann erzähle, dass ich Psychologie studiert habe, erlebe ich oft: „Oh… dann muss ich ja vorsichtig sein, mit dem was ich sage“. Irgendwie fühlen sich viele Menschen plötzlich ertappt… Die Angst vor Abwertung und Kritik ist in Deutschland so groß, dass ich gelernt habe, die Frage nach meinem Beruf so zu umschiffen, dass der feine neue Kontakt nicht zerbricht.
Nun hat mich eine Freundin nach Kroatien eingeladen. Der Jugoslawienkrieg ist seit 1995 zu Ende. Seitdem ist so viel Zeit vergangen, wie vom Ende des 2. Weltkriegs bis zu meiner Geburt. Damals hatte ich das Gefühl, dieser Krieg sei seit Ewigkeiten vorbei. In Kroatien kann ich auf einmal spüren, wie kurz 14 Jahre sind… Wie traumatischen Kriegserfahrungen in Menschen weiter leben – und wirken.
Jedesmal, wenn ich mich in Kroatien mit meinem Beruf gezeigt habe, habe ich etwas anderes erlebt: Eine 30-jährige Frau erzählt mir, sie würde so gerne zu einer Psychologin gehen, um ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten… Ein 45-jähriger Kroate, der aufgrund seiner traumatischen Erfahrungen als Soldat arbeitsunfähig geworden ist, sagt: „Wir bräuchten mehr Psychologen in unserem Land. Es gibt so viel leidvolle Geschichte… seiner Familie und seine Freunden kann man sie einfach nicht immer zumuten“.
Die Sehnsucht nach Liebe und Freiheit ist größer, als die Scham für die eigene Geschichte. Ich staune, wie deutlich Menschen die Schatten ihrer Geschichte spüren – und wie positiv ihre Resonanz auf die Fähigkeiten einer Psychologin ist.
Was für eine Wohltat für eine Psychologin.
Was für ein guter Anfang für Europa…